Perino del Vaga, eigentlich Pietro Bonaccorsi (Buonaccorsi)

Entwurf zu einer prunkvollen Schauplatte, 1540er Jahre

Georg Ernst Harzen bestimmte das Blatt als „vollendeten Entwurf für eine Prunkschüssel“. Diese Einschätzung bezweifelte Neumeyer, der hier einen Entwurf für einen Deckenschmuck zu erkennen glaubte. Gegen diese Einschätzung spricht u. a. die für einen Umsetzung an der Decke viel zu kleinteilige Anlage, wohingegen grade dieses Charakteristikum typisch für kunsthandwerkliche Goldschmiedearbeiten ist. Pouncey und Gere sahen daher in der Zeichnung einen Entwurf für eine Goldschmiedearbeit, eventuell versehen mit szenisch bearbeiteten Bergkristallen in den Kartuschen. Sie bezogen sich auf einen Alternativentwurf zur Hamburger Zeichnung im British Museum, der im Gegensatz zu dem männlichen Genius mit Fischleib in der Mitte einen weiblichen Genius aufweist.(Anm.1) Zudem gibt es kleinere Unterschiede in der ornamentalen Gestaltung des Randbereichs. So sind bei der Londoner Zeichnung die Kartuschen nicht hochkant, sondern fast horizontal zur Mitte der Platte angebracht. Beide Blätter verbindet eine lebendige Zeichentechnik, die durch sichere Federstriche und gekonnt gesetzte Lavierungen charakterisiert ist.
Während Neumeyer den Entwurf noch für Perinos römische Zeit, also vor 1527, ansetzt, datierten Pouncey und Gere das Blatt in dessen Genueser Zeit, in die 1540er Jahre. Für letzteren Vorschlag mag auch das Motiv sprechen, das für einen möglichen Auftraggeber einer Hafenstadt sinnvoll ist.
Die Autorschaft Piero del Vagas blieb lange Zeit völlig unangefochten. Zweifel an der Eigenhändigkeit äußerte zuerst Turner, der – auf das Londoner Blatt bezogen – bei aller Qualität eine für Perino zu geringe Frische bemängelte.(Anm.2) Diesem grundsätzlichen Zweifel schlossen sich Michiaki Koshikawa(Anm.3) und – auf das Hamburger Blatt bezogen – Paul Joannides(Anm.4) an. Sämtliche Forscher halten aber eine Entstehung der Blätter in London (so Turner, Koshikawa) und Hamburg (Joannides) im unmittelbaren Umkreis von Perino für sicher.
Die Zuweisung an die Schule oder den Umkreis del Vagas ist problematisch, wenn man das Hamburger Blatt etwa mit einem ebenfalls dem Umkreis jenes Künstlers zugeschriebenem Entwurf für einen reich dekorierten Behälter (u.a. Meerwesen, Kartuschen) in Turin vergleicht.(Anm.5). Dieser ist qualitativ gegenüber dem Hamburger Blatt von schwächerer Qualität.
Von Perino del Vaga sind mehrere Entwürfe für Goldschmiedarbeiten nachweisbar, die in der Ausführung freier, dabei aber auch deutlich weniger detailliert als das Hamburger Blatt angelegt sind.(Anm.6) Demgegenüber ist zu bedenken, dass Perino hier keinen Entwurf für sich selbst, sondern für einen Goldschmied anfertigte. Dies erforderte eine exaktere und detailliertere Ausarbeitung. Eine ähnliche Entwurfspraxis lässt sich auch bei del Vagas Vorzeichnung für die Tapisserie für die Familie Doria ausmachen (Inv.-Nr. 21087). Diese völlig unbestrittene Zeichnung ist ebenfalls sehr detailliert und in der Linienführung weniger frei als es für del Vaga typisch ist, weil in diesem Fall dem Teppichwirker eine genaue Vorlage geliefert werden musste.

David Klemm

1 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1862-7-191; vgl. Philip Pouncey, John A. Gere: Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum. Raphael and his Circle, 2 Bde., London 1962, I, S. 97-98.
2 Michiaki Koshikawa in: Italian 16th and 17 th Century Drawings from the British Museum, hrsg. v. Michiaki Koshikawa and Hidenori Kurita, Ausst.-Kat. Tokio, The National Museum of Western Art Italian, Aichi Prefectural Museum of Art, Nagoya, Tokyo 1996, S. 18, Nr. 18.
3 Ebd.
4 Mitteilung beim Besuch des Kupferstichkabinetts, 7.12.2007.
5 Turin, Biblioteca Reale, Inv.-Nr. 15802 D.C.; Vgl. Aldo Bertini: I disegni italiani della Biblioteca Reale di Torino. Indici e cataloghi. I disegni delle Biblioteche Italiane I, Rom 1958, S. 45, Kat.-Nr. 325.
6 Vgl. z.B. Die Entwürfe Florenz, Gabinetto dei Disegni e delle Stampe degli Uffizi, Inv.-Nrn. 1539 E, 1607 E, 1608 E.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun laviert; die Bauchpartie und rechter Arm wurden offensichtlich durch eine zweite Fassung ausgetauscht, die mit großer Sorgfalt eingefügt worden ist 192mm x 320mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21088 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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