Taddeo Zuccari (auch: Zuccaro)

Sitzende Frau (Studie für eine Sibylle), um 1553

Harzen brachte die Zeichnung einer sitzenden Frau mit Federico Barocci in Verbindung, wobei er an dessen römische Frühzeit dachte, als der Künstler im Casino Pius’ IV. arbeitete. Diese Zuschreibung wurde bis 1969 im Kabinett aufrechterhalten, wenngleich Morassi bereits Ende der 1920er Jahre Zweifel daran geäußert hatte.(Anm.1) John Gere sah erstmals in der Zeichnung einen Entwurf Taddeo Zuccaris für eine Sibyllendarstellung in der von Giacomo Mattei gestifteten Kapelle in S. Maria della Consolazione in Rom.(Anm.2) Zuccari schuf den gesamten Bilderschmuck der Kapelle mit Szenen der Passion, Evangelisten und Sibyllen 1553–1556. Vasari berichtet, dass Taddeo die Arbeit gern und für geringen Preis übernommen habe, „um einigen Leuten, welche herumgingen und sagten, er verstünde nichts, als Fassaden und andere Arbeiten in Helldunkel zu machen, zu beweisen, dass er auch farbig zu arbeiten verstünde“ (Anm.3). So ist verständlich, dass Taddeo besondere Sorgfalt auf die Vorbereitung der Figuren legte. Für die links oberhalb des Altars in einer Lünette sitzende Sibylle sind mindestens vier Vorstudien nachweisbar, wobei das Hamburger Blatt die früheste bislang bekannte Ideenstufe darstellt. Erkennbar sind kompositionelle Einflüsse Michelangelos (vgl. die Haltung der Sibyllen in der Sixtinischen Kapelle, Vatikan) und Raffaels (vgl. die Sibyllen in S. Maria della Pace in Rom).
Im weiteren Verlauf seiner Vorstudien hat Taddeo der Sibylle eine deutlich geänderte Position gegeben.(Anm.4) Das rechte Knie wurde vollständig zurückgenommen, zugleich wurde die Schulter so gedreht, dass die Frau dem Betrachter ganz zugewandt ist. Dadurch sind nun der rechte Arm der Sibylle und das Schriftband, das sie mit beiden Händen hält, gut zu erkennen.

David Klemm

1 Dieser undatierte Hinweis ist auf einer Karteikarte des Kabinetts vermerkt. Ein Besuch Morassis in Hamburg ist für 1928 belegt.
2 John A. Gere: Taddeo Zuccaro. His Development Studied in his Drawings, Chicago 1969, Abb. 65.
3 Die Lebensbeschreibungen der berühmtesten Architekten, Bildhauer und Maler. Deutsch herausgegeben von Adolf Gottschewski und Georg Gronau, Bd. 4, Die mittelitalienischen Maler. Uebersetzt von Georg Gronau, Straßburg 1910, IV, S. 427.
4 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1993,12.11, vgl. John A. Gere, Philip Pouncey, unter Mitarbeit v. Rosalind Wood: Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum. Artists Working in Rome c. 1550 to c. 1640, 2 Bde., London 1983, I, S. 205, Nr. 328; Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Inv.-Nr. 91. GB. 58; vgl. John A. Gere: Taddeo Zuccaro. His Development Studied in his Drawings, Chicago 1969, S. 201–202, Nr. 211, Taf. 46; Turner/Hendrix/Plazzotta 1997, Nr. 55; unbekannter Ort, früher Colnaghi, London; vgl. John Gere: Taddeo Zuccaro: Addenda and Corrigenda, in: Master Drawings 33, 1995, Nr. 3, S. 223-323, S. 314–315, Nr. 264-J, mit Abb.

Details zu diesem Werk

Feder und Pinsel in Braun, laviert mit Weißhöhungen, oxidiert, auf blauem Papier 480mm x 388mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21058 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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