Federico Barocci, eigentlich Fiori, zugeschrieben, Zeichner

Draperiestudien

Die Studie reich gefalteter Stoffe fand seit jeher die Bewunderung der Sammler. Sie ist ein Kabinettstück der Zeichenkunst, das in der Tradition der großartigen Gewandstudien von Leonardo und Dürer zu sehen ist. Die Zuschreibung des Blattes an Barocci blieb seit Robert-Dumesnils Bestimmung unbestritten.(Anm.1) Zuletzt wurde dessen Autorschaft von Nicholas Turner und Hein Th. Schulze Altcappenberg mit Nachdruck bestätigt.(Anm.2)
Wie z. B. mehrere Zeichnungen in Berlin verdeutlichen, hat Barocci seine Gewand- und Stoffstudien zumeist als reine Kreidezeichnungen, bisweilen mit Weiß gehöht, angelegt.(Anm.3) Sehr ungewöhnlich an dem Hamburger Blatt ist daher die Kombination von Kreide und lavierter Tinte. Hinzu kommt, dass Barocci derartige Studien zumeist auf blauem und nicht wie in Hamburg auf hellem Papier ausgeführt hat. Außerdem lässt sich die Darstellung bislang mit keinem bekannten Gemälde in Verbindung bringen, was bei dem zumeist zweckorieniert zeichnenden Barocci ungewöhnlich ist. Aus diesen Gründen haben sowohl Karen Buttler (Anm.4) als auch Veronika Kopecky (Anm.5) zu Recht Zweifel an der bisherigen Zuschreibung geäußert.
Tatsächlich muss es zu denken geben, dass sich im weit über 1200 Zeichnungen umfassenden Œuvre des Künstlers kein Vergleichsbeispiel zur Hamburger Zeichnung finden lässt. Eine Gewandstudie in der Ambrosiana auf hellem Papier mag in der Strichtechnik an das Hamburger Blatt erinnern, ist aber nicht laviert.(Anm.6) Es erscheint daher zwingend, die Zuschreibung an Barocci – trotz der gewichtigen Urteile der oben erwähnten Wissenschaftler – zumindest zur Diskussion zu stellen.
Eine genaue Bestimmung des dargestellten Gegenstandes ist schwierig, doch handelt es sich eher um eine Studie für einen Vorhang als für ein Gewand. Die korrekte Ausrichtung des Blattes dürfte die von Mariette und Robert-Dumesnil gewählte hochrechteckige Form sein.

David Klemm

1 Es ist denkbar, dass bereits Mariette das Blatt Barocci zugewiesen hat, doch sind die Angaben im Auktionskatalog von dessen Zeichnungen zu allgemein, als dass sie ganz sicher auf das Hamburger Blatt bezogen werden könnten.
2 Anlässlich des Symposiums „Italienische Altmeisterzeichnungen 1450 bis 1800“ am 27. und 28. 10. 2005 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
3 Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nrn. KdZ 20198 (4317); KdZ 20018 (3786); vgl. Emiliani 1985, II, S. 340, Abb. 745 u. S. 399, Abb. 878.
4 Mündliche Mitteilung, März 2005.
5 Mündliche Mitteilung, 15. 4. 2004.
6 Mailand, Biblioteca Ambrosiana, Inv.-Nr. Cod. F 290 Inf. n. 2. Abb. bei Emiliani 1985, II, S. 324, Abb. 694. Es handelt sich um eine Vorstudie für die Marienfigur auf dem Gemälde „Die Geburt Christi“ im Prado.




Die Studie reich gefalteter Stoffe fand seit jeher die Bewunderung der Sammler. Sie ist ein Kabinettstück der Zeichenkunst, das in der Tradition der großartigen Gewandstudien von Leonardo und Dürer zu sehen ist. Die Zuschreibung des Blattes an Barocci blieb seit Robert-Dumesnils Bestimmung unbestritten.(FN1) Zuletzt wurde dessen Autorschaft von Nicholas Turner und Hein Thomas Schulze Altcappenberg mit Nachdruck bestätigt.(FN2)
Wie z. B. mehrere Zeichnungen in Berlin verdeutlichen, hat Barocci seine Gewand- und Stoffstudien zumeist als reine Kreidezeichnungen, bisweilen mit Weiß gehöht, angelegt.(FN3) Sehr ungewöhnlich an dem Hamburger Blatt ist daher die Kombination von Kreide und lavierter Tinte. Hinzu kommt, dass Barocci derartige Studien zumeist auf blauem und nicht wie in Hamburg auf hellem Papier ausgeführt hat. Außerdem lässt sich die Darstellung bislang mit keinem bekannten Gemälde in Verbindung bringen, was bei dem zumeist zweckorieniert zeichnenden Barocci ungewöhnlich ist. Aus diesen Gründen haben sowohl Karen Buttler(FN4) als auch Veronika Kopecky(FN5) zu Recht Zweifel an der bisherigen Zuschreibung geäußert.
Tatsächlich muss es zu denken geben, dass sich im weit über 1200 Zeichnungen umfassenden Oeuvre des Künstlers kein Vergleichsbeispiel zur Hamburger Zeichnung finden lässt. Eine Gewandstudie in der Ambrosiana auf hellem Papier mag in der Strichtechnik an das Hamburger Blatt erinnern, ist aber nicht laviert.(FN6) Es erscheint daher zwingend, die Zuschreibung an Barocci - trotz der gewichtigen Urteile der oben erwähnten Wissenschaftler - zumindest in Frage zu stellen.
Eine genaue Bestimmung des dargestellten Gegenstandes ist schwierig, doch dürfte es sich eher um eine Studie für einen Vorhang als für ein Gewand handeln. Die korrekte Ausrichtung des Blattes dürfte die von Mariette und Robert-Dumesnil gewählte hochrechteckige Form sein.

(FN1) Es ist denkbar, dass bereits Mariette das Blatt Barocci zugewiesen hat, doch sind die Angaben im Auktionskatalog von dessen Zeichnungen zu allgemein, als dass sie ganz sicher auf das Hamburger Blatt bezogen werden könnten.
(FN2) Mitteilungen auf der Hamburger Tagung, Oktober 2005.
(FN4) Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, KdZ 20198 (4317); KdZ 20018 (3786); vgl. Emiliani 1985, S. 340, Abb. 745 u. S. 399, Abb. 878.
(FN5) Mdl. Mitteilung, März 2005.
(FN6) Mdl. Mitteilung, April 2004.
(FN7) Mailand, Ambrosiana, Inv. Nr. F 290 INF Nr. 2. Abb. bei Emiliani 1985, S. 324, Abb. 694. Es handelt sich um eine Vorstudie für die Marienfigur auf dem Gemälde "Die Geburt Christi" im Prado.

Details zu diesem Werk

Schwarze Kreide, Feder in Braun, braun laviert; auf alter Landkarte aufgezogen 412mm x 288mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21057 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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