Francesco Mazzola, gen. Parmigianino (Kopist)

Gambenspielerin und Putto

Das qualitätvolle Blatt gelangte 1866 als Werk Correggios in städtischen Besitz und wurde um 1890 auch unter diesem Künstlernamen inventarisiert. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde das Blatt dann unter Parmigianino abgelegt. Diese Einordnung fand zunächst ungeteilte Zustimmung, u. a. von Anna Forlani Tempesti, J. Q. Regteren-Altena, Iván Fenyö und Julien Stock. Es war dann Arthur E. Popham, der die Zeichnung 1971 in seinem Werkverzeichnis des Künstlers erstmals als Kopie nach einem Original in den Uffizien bewertete.(Anm. 1)
Die ursprünglich angenommene Autorschaft Correggios mag sich – worauf Popham hinwies – aus Einflüssen von dessen Fresken in der Apsis von S. Giovanni Evangelista in Parma herleiten. Dort befindet sich ein Putto mit einem Lamm als Begleiter Johannes des Täufers. Für den Violine spielenden Engel vermutete Popham ebenfalls den Einfluss Correggios, doch ist kein direktes Vorbild erkennbar.(Anm. 2)
Die lange Zeit vertretene Einstufung der Hamburger Zeichnung als Original Parmigianinos ist keineswegs verwunderlich, da die Strichführung der Feder, die lockere Verwendung des Rötels, die frische Lavierung und die Pentimenti sich sehr gut mit gesicherten Arbeiten des Künstlers verbinden lassen. Ein genauer Vergleich mit der Uffizien-Zeichnung ergibt zudem zahlreiche, bis ins Detail gehende Übereinstimmungen.
Dass es sich dennoch um eine Kopie handelt, verdeutlicht vor allem die größere Lebendigkeit des Florentiner Blattes. Zudem ist die Plastizität der Figuren überzeugender herausgearbeitet. Details, wie zum Beispiel der Streichbogen sind auf dem Original klarer erkennbar. Hinzu kommt, dass die Uffizien-Zeichnung auf dem Verso eine weitere für Parmigianino gesicherte Zeichnung aufweist, während das Hamburger Blatt nur auf dem Recto bezeichnet ist.(Anm. 3)
Auch wenn das Hamburger Blatt nicht das Original ist, ist ihm künstlerische Qualität nicht abzusprechen, was sich letztlich auch in der Zuschreibungsgeschichte spiegelt. Denkbar wäre, dass es im unmittelbaren Umkreis Parmigianinos, möglicherweise zu Studienzwecken, entstanden ist. Schwer erklärbar bleibt bei dieser Annahme allerdings, warum der anonyme Kopist auch die schon bei Parmigianinos Original funktional nicht erklärbaren Rötelstriche übernommen hat. Vielleicht sollte auf diese Weise der „originale“ Eindruck der Zeichnung erhöht werden, sodass es sich hier vielleicht sogar um eine bewusste Täuschung potentieller Käufer handelt. Rätselhaft bleibt auch der ungenau gezeichnete Stempel Leopoldo de’ Medicis am linken unteren Rand. Er schlägt wiederum die Brücke zum Original, das sich ehemals in der berühmten Sammlung des Kardinals befunden hat.
Parmigianino-Zeichnungen wurden bereits im 16. Jahrhundert nachgeahmt und kopiert. Dabei ragt das Hamburger Blatt qualitativ heraus, wie z. B. der Vergleich mit den Nachzeichnungen Vasaris nach Blättern Parmigianinos verdeutlicht.(Anm. 4)

David Klemm

1 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 741 E. Vgl. für den genauen Vergleich die sehr gute Farbabbildung in Sylvie Béguin, Mario Di Giampaolo, Mary Vaccaro: Parmigianino. The Drawings, Turin, London 2001, o. S., Abb. 20 (im Farbteil).
2 Denkbar ist ein Einfluss der zerstörten Chorfresken des Künstlers. Parmigianino arbeitete bekanntermaßen in der Kirche S. Giovanni Evangelista.
3 Eine weitere Kopie des Versos des Uffizien-Blattes befindet sich in Paris. Vgl. Paris, Musée du Louvre, Département des Art Graphiques, Inv.-Nr. 10978. Vgl. Arthur Ewart Popham: Catalogue of the Drawings of Parmigianino. Volume I. Introduction and Catalogue, New Haven, London 1971, I, S. 65.
4 David McTavish: Vasari and Parmigianino, in: Giorgio Vasari. Tra Decorazione ambientale e storiografia artistica. Convegno di Studi (Arezzo, 8-10 ottobre 1981), hrsg. v. Gian Carlo Garfagnini, Florenz 1985, S. 135-143.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun laviert, Rötel 142mm x 185mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 21037 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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