Carl Barth, Radierer
nach Franz und Johannes Riepenhausen, Zeichner, Erfinder
Verlag der J.G. Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen, Drucker, Verleger

Die Wiederbelebung der Malerei durch die Religion, 1810

In: "Geschichte der Mahlerei in Italien [...], Tübingen 1810", 1. Heft, Tafel I

Die "Geschichte der Mahlerei [...]" erschien 1810 bei Cotta in Tübingen und umfasst zwei Hefte mit je 12 Radierungen sowie einen zugehörigen Textband. Bereits 1805 begannen die Brüder Riepenhausen mit der Planung des Werkes und arbeiteten in den darauf folgenden Jahren an Zeichnungen für die Publikation. Wie aus einem Brief vom 30.10.1807 an Cotta hervorgeht, war ursprünglich ein Erscheinen in drei Teilen à vier Heften mit je 12 Tafeln (144 Tafeln insgesamt) beabsichtigt. Ähnlich den Viten Vasaris sollten darin italienische Künstler beginnend mit Cimabue bis zu Raffael und dessen Schülern vorgestellt werden, wobei das Interesse an italienischer Malerei der (vor-raffaelischen) Frührenaissance ab 1800 zunehmend in den Fokus zahlreicher Künstler rückte. Anspruch der Brüder Riepenhausen war es dabei, vor allem dem Publikum noch weitestgehend unbekannte (nicht im Zuge des napoleonischen Kunstraubes mitgenommene) Werke zu reproduzieren. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten im Kontext der napoleonischen Kriege sowie dem geringen Absatz der Auflage (167 verkaufte bei 294 gedruckten Exemplaren) wurde das Projekt jedoch eingestellt; lediglich die ersten beiden Hefte erschienen tatsächlich.

Die vorliegende Tafel schmückt eine Komposition mit zahlreichen Details und einer komplexen, den Zeitgeist besonders deutscher Romantiker und die kunsttheoretischen Ideen der Riepenhausen spiegelnden Ikonographie. Im Vordergrund befinden sich verschattete und überwachsene Überreste antiker Skulptur sowie auf der anderen Seite eine auf Säulenfragmenten sitzende weibliche Gestalt (angelehnt an die Allegorie, welche Michelangelos Grabmal schmückt), welche ihren Schleier lüftet, zu erwachen scheint und ihren Blick zu einer heranschwebenden Gestalt erhebt: Augenscheinlich ein Engel, welcher auf die über dem Meer aufgehende Sonne im Hintergrund weist, die das Land mit Resten antiker Architektur (Sibyllentempel in Delphi) und auch die vorn sitzende Figur erhellt. Gemäß der Hinwendung zur christlichen Religion zahlreicher Künstler um und nach 1800 - darunter auch der Brüder Riepenhausen - deutet dies auf eine Wiederbelebung der Kunst bzw. Malerei in Italien durch den Geist der Religion in Engelsgestalt und eine Überwindung bzw. Vollendung der Antike hin; eine Passage aus der "Erläuterung des polygnotischen Gemähldes auf der rechten Seite der Lesche zu Delphi" der Brüder Riepenhausen aus dem Jahr 1805 beschreibt eben jenen im vorliegenden Blatt verbildlichten Gedanken: "Niemals war der Grieche zu der Erfindung eines solchen Kunstwerkes gelangt, in welcher sich der Geist der ganzen Welt, mit allen seinem Glanze, allen seinen Verborgenheiten, und seiner entzückenden, herrlichen Hoheit offenbart; diese lag außerhalb des Umfangs seiner Möglichkeit, und war späteren Zeiten vorbehalten, in welchen eine andere göttliche, geheimnisvollere Religion, eine andere durch sie wiedergeborene Welt mit neuer Vortrefflichkeit überströmen sollte."

Klara Wagner/ Ulf Dingerdissen

(Vgl. Brigitte Kuhn-Forte, "Die Entdeckung der italienischen Malerei des Mittelalters und der Renaissance", in Max Kunze (Hg.), "Zwischen Antike, Klassizismus und Romantik. Die Künstlerfamilie Riepenhausen", Aussst.Kat. Stendal, Mainz 2001, S. 119-130; außerdem Bernhard Fischer, "Cotta und die Brüder Riepenhausen", in Max Kunze (Hg.), "Zwischen Antike, Klassizismus und Romantik. Die Künstlerfamilie Riepenhausen", Aussst.Kat. Stendal, Mainz 2001, S. 149-156; außerdem: Franz und Johannes Riepenhausen: "Erläuterung des polygnotischen Gemähldes auf der rechten Seite der Lesche zu Delphi, Erster Theil", Göttingen 1805, S. 20. Für diesen Hinweis und seine Anmerkungen zur Deutung sei Ulf Dingerdissen herzlich gedankt!

Details zu diesem Werk

Radierung 319mm x 338mm (Bild) 331mm x 349mm (Platte) 469mm x 638mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 2020 vom Antiquariat Winfried Kuhn, Berlin, mit Mitteln des Fördervereins "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e.V." Inv. Nr.: 2020-5-1 Sammlung: KK Druckgraphik, Deutschland, 19. Jh.

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