Francesco Aquila, Radierer, Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
nach Raffael (Werkstatt), Maler
Domenico de' Rossi, Verleger

Deckenansicht der Stanza di Eliodoro, 1722

Aus: "PICTVRӔ RAPHAELIS SANCTIJ VRBINATIS [...]", hg. v. Domenico de' Rossi, Rom 1722, Tafel 10

Ursprünglich hatte die Decke der Stanza di Eliodoro das Acht-Felder-System der Stanza della Segnatura aufgewiesen (Inv.-Nr. 17210d). Anm. 1) Erst nachdem die Rippen beseitigt worden waren, standen Raffael vier relativ große Bildfelder zur Verfügung. Ähnlich wie später in der Loggia der Farnesina spannte er nun fingierte zeltartige Tücher zwischen die Rippen. Auf diese Weise sollte wohl an das Zelt erinnert werden, in dem zu Zeiten Moses die Bundeslade bewahrt worden war. (Anm. 2) Denkbar ist auch, dass damit das Kriegszelt von Papst Julius II. dargestellt sein soll. (Anm. 3)

Die vier Bildfelder mit Szenen aus dem Alten Testament markieren die wichtigsten Blickpunkte innerhalb eines reichen Dekorationssystems. Es stammt, wie das Wappen von Papst Nikolaus V. im Gewölbescheitel verrät, teilweise noch aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Andere Elemente gehen auf Baldassare Peruzzi, einen Zeitgenossen Raffaels, zurück. (Anm. 4) Den äußeren Rahmen bilden zwei breite Gurtbögen, deren Kassetten partiell mit kleinteiligen Reliefs geschmückt sind.

Das Gewölbe der Stanza di Eliodoro wurde lange Zeit nicht in seiner Komplexität abgebildet. Dies verwundert kaum, da die enorme Kleinteiligkeit graphisch schwer darstellbar ist. Deutlich größeres Interesse fanden dagegen die vier Hauptszenen Raffaels. So sind mehrere Reproduktionen von Künstlern aus dem Raimondi-Kreis nachweisbar. Dabei fanden allerdings Entwürfe Raffaels Verwendung, die dieser später nicht mehr für die endgültige Deckenlösung verwendete. (Anm. 5) Erst im 18. Jahrhundert lässt sich die erste Gesamtdarstellung des Gewölbes nachweisen. Es war wieder einmal Francesco Aquila, der hier ähnlich wie beim Gewölbe und bei der Südwand der Stanza della Segnatura (Inv.-Nr. 2020-28-11) Pionierarbeit leistete. Typisch für ihn ist der eher dokumentarische Charakter seiner Wiedergabe, was auch in der langen Erklärung unterhalb der Darstellung seinen Ausdruck findet. Aquila verzichtet auf allzu starke Kontraste, wodurch das Blatt bei aller Differenziertheit etwas gleichförmig wirkt. Dies schmälert aber keineswegs die Verdienste Aquilas, denn erst mit seiner detailreichen Darstellung war eine angemessene Würdigung des künstlerischen und inhaltlichen Gehalts der Komposition möglich.

Das Gewölbe der Stanza di Eliodoro ist für das Gesamtverständnis des Raumes unverzichtbar. Denn die vier Bildfelder zeigen alttestamentarische Szenen, die als Prototypen für die jeweils direkt unterhalb davon dargestellten Wandbilder angesehen wurden. Leitthema der Darstellungen ist das schützende Eingreifen Gottvaters in die menschlichen Geschicke. So verweist Moses und der brennende Dornbusch auf die Befreiung der Juden aus der ägyptischen Knechtschaft, womit gleichzeitig auf die Vertreibung von Heliodor Bezug genommen wird. Die Szene Gott erscheint Noah führt dessen Dankbarkeit für die Errettung der Welt vor Augen, was mit dem unterhalb davon sichtbaren Sieg über die Hunnen zu verknüpfen ist. Abrahams Opfer wiederum ist die Präfiguration der Opferhandlung in der unterhalb davon dargestellten Messe von Bolsena. Und schließlich deutet im Traum Jakobs der Felsen, auf dem dieser ruht, auf die Befreiung Petri hin.

Die Malereien haben im Laufe der Jahrhunderte schwer gelitten, was ihre kunsthistorische Einschätzung erschwert. Unbestritten ist der starke Einfluss von Michelangelos Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle, wonach eine Datierung bereits um 1511 in Erwägung gezogen wurde. Heute ist man jedoch überwiegend der Ansicht, dass Raffael die Deckenfelder erst um 1514 komponierte. (Anm. 6) Diese wurden dann zeitnah unter Einbeziehung der Werkstatt ausgeführt.
David Klemm

LIT (Auswahl): Kolloff 1872b, S. 205, Nr. 42; Bernini Pezzini/Massari/Prosperi
Valenti Rodinò 1985, S. 122, Nr. I.10

1 Dussler 1966, S. 88.
2 Vgl. Höper 2001, S. 397. Der Raum illustriert Psalm 27, 5–6, wo von Schutz durch ein Zelt, die Erhöhung auf einem Felsen (Petrus) und über Feinde (Attila und Heliodor) sowie vom Lobpreis (Messe von Bolsena) gesprochen wird; vgl. Höper 2001, S. 397.
3 Dussler 1966, S. 88.
4 Frommel 2017, S. 51.
5 Vgl. Höper 2001, S. 404.
5 Frommel 2017, S. 54.

Abgekürzt zitierte Literatur:
Dussler 1966
Leopold Dussler: Raffael. Kritisches Verzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Bildteppiche, München 1966

Details zu diesem Werk

Radierung 486mm x 570mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 2020 vom Auktionshaus Galerie Gerda Bassenge, Berlin, mit Mitteln des Fördervereins "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e.V." Inv. Nr.: 2020-28-9 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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