Francesco Aquila, Radierer, Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
nach Raffael (Werkstatt), Maler
Domenico de' Rossi, Verleger

Die Schenkung Roms, 1722

Aus: "PICTVRӔ RAPHAELIS SANCTIJ VRBINATIS [...]", hg. v. Domenico de' Rossi, Rom 1722, Tafel 5

Raffael hatte für die Sala di Costantino nur noch Teile des Ausstattungsprogramms entwerfen können. Während die sog. Adlocutio (Inv.-Nr. 2020-28-2) und die Schlacht an der Milvischen Brücke (Inv.-Nr. 2020-29) wesentliche Ideen von ihm aufweisen, stammen die Nord- und Westwand von seinen Schülern. Diesen zum Teil noch jungen Künstlern war die Vollendung des prestigeträchtigen Projekts übertragen worden, obgleich sich so renommierte Maler wie Sebastiano del Piombo darum bemüht hatten. Allerdings verzögerten sich die weiteren Arbeiten, da nach dem Tod Papst Leos X. der 1522 den Künsten wenig zugeneigte Hadrian VI. dessen Nachfolger wurde. Als aber 1523 mit Clemens VII. erneut ein Medici zum Papst gewählt wurde, ging die Ausstattung zügig voran, so dass bis 1524 die zwei fehlenden großen Wandbilder mit der Taufe Konstantins (Anm. 1) (Westwand) und der Schenkung Roms (Anm. 2) (Nordwand) vollendet waren. Maßgeblich verantwortlich waren zwei der Meisterschüler Raffaels: Giulio Romano und Giovanni Francesco Penni. (Anm. 3)

Obgleich Raffael Jahrhunderte hindurch als Urheber der beiden Wandbilder angesehen wurde, fanden diese lange Zeit keine besondere Aufmerksamkeit der Reproduktionsstecher. Für das 16. Jahrhundert lässt sich offenbar nur Battista Francos Kupferstich mit der Schenkung Roms nachweisen. (Anm. 4) 1722 werden dann von Francesco Aquila beide Wandbilder als Teil seiner umfangreichen Folge von Reproduktionen der Stanzen veröffentlicht (vgl. Inv.-Nr. 2020-28-10). Auch Aquila nennt explizit Raffael als Erfinder der Kompositionen. Beide Radierungen geben die Vorlagen insgesamt, abgesehen von einigen Abweichungen, relativ genau wieder. So sieht man auf der Taufszene den Kaiser im Baptisterium des Laterans kniend, während der auch im übertragenen Sinn über ihm stehende Papst Silvester I. – mit den Gesichtszügen von Clemens VII. – das Sakrament erteilt. Die Schenkungsszene findet dagegen in der alten Peterskirche statt. Dort sitzt Silvester fast etwas verloren auf dem Thron und Konstantin überreicht ihm symbolhaft die goldene Statue der Stadt Rom. Beide Reproduktionen sind mit langen Erläuterungen versehen. Die im Original vorhandene fingierte Anmutung von Teppichen wurde von Aquila nur ansatzweise berücksichtigt.

Wie bei der Adlocutio dargelegt, ist Aquila offenbar der erste Künstler, der die eminente politische Bedeutung der Wandbilder der Sala di Costantino erkennt und dies durch eine vollständige Wiedergabe der Hauptbilder zum Ausdruck bringt. Und wie die Adlocutio stehen auch Taufe und Schenkung am Anfang der Folge und damit in Umkehrung der Chronologie der Fresken. Auf diese Weise wurde der Anspruch der katholischen Kirche auf politische Macht auch optisch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. (Anm. 5)

Es bleibt rätselhaft, warum beide Wandbilder auch in der Folgezeit relativ selten reproduziert wurden. Gerade die Schenkung Roms, die sog. Konstantinische Schenkung, ist für das Selbstverständnis des Papsttums essentiell. Nach alter Überlieferung hatte Konstantin in den Jahren 315/17 Papst Silvester I. und seinen Nachfolgern auf alle Ewigkeit eine auf geistliche Belange gerichtete, aber auch politisch wirksame Oberherrschaft über Rom, Italien und die westliche Hälfte des Römischen Reiches übertragen. Hierauf gründete Jahrhunderte hindurch der Anspruch des Papsttums auf weltliche Herrschaft. Pikanterweise war aber spätestens seit 1440 überzeugend nachgewiesen, dass es sich bei der zugrunde gelegten Urkunde um eine Fälschung der Zeit um 800 handelte. Das Fresko in der Sala di Costantino verbreitete also wider besseren Wissens falsche Tatsachen als Wahrheit. Dass die Schenkungsszene dann im 19. Jahrhundert häufiger reproduziert wurde, dürfte angesichts der zunehmenden Bedrohung der weltlichen Herrschaft des Papsttums als versuchter Legitimationsnachweis zu verstehen sein. (Anm. 6)
David Klemm

LIT (Auswahl): Passavant 1839b, S. 372; Kolloff 1872b, S. 205, Nr. 37; Bernini
Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 121, Nr. I.5

1 Zum Fresko vgl. Quednau 1979, S. 399–418; Kliemann/Rohlmann 2004, S. 143–145 (Beitrag Michael Rohlmann); Vasari/Gründler S. 63–64.
2 Zum Fresko vgl. Quednau 1979, S. 418–446; Kliemann/Rohlmann 2004, S. 143–145 (Beitrag Michael Rohlmann); Vasari/Gründler 2004, S. 64.
3 Einem Zeugnis Sebastiano del Piombos zufolge hatte Raffael auf der Westseite die Vorführung der Gefangenen vor Konstantin und auf der Nordwand die Heilung des Kaisers von der Lepra geplant; vgl. Frommel 2017, S. 67.
4 Höper 2001, S. 418, Nr. F 22.1.5 Ob das die private Interpretation Aquilas darstellt oder von einem Auftraggeber initiiert wurde, muss offen bleiben. 6 Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 114–115; Höper 2001, S. 418–419.

Details zu diesem Werk

Radierung 477mm x 671mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 2020 vom Auktionshaus Galerie Gerda Bassenge, Berlin, mit Mitteln des Fördervereins "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e.V." Inv. Nr.: 2020-28-4 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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