Francesco Aquila, Radierer, Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
nach Raffael (Werkstatt), Maler
Domenico de' Rossi, Verleger

Die Erscheinung des Kreuzes und Ansprache an das Heer (Adlocutio), 1722

Aus: "PICTVRӔ RAPHAELIS SANCTIJ VRBINATIS [...]", hg. v. Domenico de' Rossi, Rom 1722, Tafel 1

Mit der Darstellung von Szenen aus dem Leben Konstantins betrieben die Päpste in der Sala di Costantino aktive Kunstpolitik. Denn wie kein anderer Kaiser stand Konstantin für ein siegreiches und erfolgreiches
Christentum, seiner vermeintlichen Großzügigkeit verdankte das Papsttum seine dominierende Stellung. Die nachdrückliche Erinnerung daran war in der um 1520 herrschenden massiven Krisenzeit für das Selbstverständnis und den Selbstbehauptungswillen der Kirche eine große Stütze.

Umso erstaunlicher ist es, dass diese kirchenpolitisch so wichtigen und durch Raffaels Kunst gleichsam geadelten Szenen nur sehr zurückhaltend durch Druckgraphiken Verbreitung fanden. So dauerte es offenbar bis 1722, bevor die sog. Adlocutio, ein Schlüsselbild der Sala di Costantino, überhaupt erstmals reproduziert wurde. Dieses Verdienst gebührt Francesco Aquila, der das Sujet in seiner umfassenden Serie PICTVRÆ RAPHAELIS SANCTIJ VRBINATIS [...] in einer großformatigen Radierung veröffentlichte. Aquila gab die Komposition mit großer Sorgfalt wieder, so dass der Betrachter die von Raffael konzipierte, dann um 1520–1522 von Giulio Romano und dessen Werkstatt freskierte Darstellung hervorragend nachvollziehen konnte.

Der Überlieferung nach hatte Konstantin während eines mittäglichen Gebets das Kreuzeszeichen mit den Worten „In diesem Zeichen wirst du siegen“ am Himmel erblickt. Raffael kombinierte dieses Erweckungserlebnis mit einem späteren Ereignis, in dem der Herrscher zu seinen Soldaten spricht. (Anm. 1) Diese strömen gerade heran, um auf den nahenden Kampf eingestimmt zu werden. Konstantin spricht von einem erhöhten Standpunkt aus und verweist gleichzeitig auf das himmlische Kreuzeszeichen. Im Hintergrund ist das antike Rom ausgebreitet. Erkennbar sind bedeutende Monumente, etwa die Meta Romuli oder die Mausoleen von Augustus und Hadrian. Diese wohl auch auf eigenen Forschungen beruhenden Rekonstruktionen veranschaulichen das starke archäologische Interesse Raffaels in seinen letzten Lebensjahren. (Anm. 2)

Die von Aquila gewählte Radiertechnik war für das sehr lebendige Szenario bestens geeignet. So verfügt diese Reproduktion im Gegensatz zu manch anderer seiner Stanzen-Serie über große Lebendigkeit und Ausdruckskraft. Unterhalb der Darstellung fügte Aquila noch eine lange Erläuterung hinzu. Dies machte umso mehr Sinn, als das Thema der Allgemeinheit kaum bekannt gewesen sein dürfte. Von besonderem Interesse ist, dass der Künstler die Adlocutio an den Anfang seiner 18-teiligen Wiedergabe der Stanzen stellte (vgl. Inv.-Nr. 2020-28-10). Das war eine Umkehrung der zeitlichen Entstehungsgeschichte der vier Räume. Deutlich wird daran, dass es bei allem durchaus dokumentarischen Charakter der Wiedergabe vor allem um massive Bildpropaganda im Sinne der Päpste ging.

Trotz der unübersehbaren Hervorhebung durch Aquila blieb das Wandbild auch weiterhin relativ unbeachtet. Erst im 19. Jahrhundert sollte sich das etwas ändern, was möglicherweise mit dem erneuten Verteidigungskampf der Kirche gegen säkulare Interessen zusammenhängen mag. (Anm. 3)
David Klemm

LIT (Auswahl): Passavant 1839b, S. 367; Ruland 1876, S. 235, Nr. I 1; Kolloff
1872b, S. 205, Nr. 35; Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S.
120, Nr. I.2

1 Frommel 2017, S. 73–75.
2 Frommel 2017, S. 74.
3 Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 113, Nr. I.1 und I.2, Abb. S. 514–515.

Details zu diesem Werk

Radierung, Kupferstich(?) 476mm x 562mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 2020 vom Auktionshaus Galerie Gerda Bassenge, Berlin, mit Mitteln des Fördervereins "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e.V." Inv. Nr.: 2020-28-2 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback