Giovanni Ottaviani, Stecher
nach Gaetano Savorelli, Zeichner
und Pietro Camporesi d. Ä., Zeichner
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
Marco Pagliarini, Verleger

Pilaster Loggia VII: Der Vogelfänger, 1772

Aus: "Loggie di Rafaele nel Vaticano", Teil I, Tafel 7

Von den vielfältigen Bildern und Dekorationssystemen der Loggien wurden lange Zeit fast ausschließlich die biblischen Szenen reproduziert (Inv.-Nrn. 163 und kb-1863-85-137-33). Die Pfeiler- und Gewölbedekorationen blieben dagegen nahezu unbeachtet. (Anm. 1) Vor diesem Hintergrund kommt der in den 1770er Jahren edierten umfassenden Graphikserie Loggie di Rafaele nel Vaticano höchste Bedeutung zu. Mit ihr standen erstmals größere Bereiche der dekorativen Loggien-Gestaltung in qualitätvollen und großformatigen Abbildungen zur Verfügung. (Anm. 2) Zunächst hatte seit den späten 1760er Jahren Giovanni Ottaviani mit dem Maler Gaetano Savorelli und dem Architekten Pietro Camporesi d. Ä. zusammengearbeitet. Von der Bedeutung ihres Unternehmens zeugt die Tatsache, dass Papst Clemens XIII. dem Projekt seine Zustimmung erteilte. Spätestens 1770/71 stieß Giovanni Volpato dazu (Anm. 3), letztlich komplettierte Ludovico Teseo das Team. Mit unterschiedlicher Beteiligung der genannten Künstler erschien die Folge in drei Teilen mit 46 großformatigen Druckgraphiken: Teil I 1772 (vorbereitende Arbeiten seit spätestens 1768); Teil II 1776 (gestochen und radiert zwischen 1772 und 1774) und Teil III 1777 (gestochen und radiert zwischen 1774 und 1776). (Anm. 4)

Die ambitionierte Edition war kostspielig, was ihrem europäischen Erfolg aber keinen Abbruch tat. Für besonders zahlungskräftige Käufer gab es sogar von Hand kolorierte Ausgaben. Diese sehr attraktiven Blätter waren ein begehrtes Souvenir der Reisenden auf ihrer Grand Tour. Erst die farbige Wiedergabe lässt den Zauber der Ideenwelt von Raffael und seinem Team vollends wirksam werden. Allerdings muss bedacht werden, dass die Kolorierung nicht selten eher dem Zeitgeschmack als dem Befund vor Ort folgte. (Anm. 5)
Der Einfluss der Kompositionen war enorm, was sich vor allem aber in zahlreichen Wanddekorationen nachweisen lässt. Dieser Erfolg ist unschwer nachvollziehbar, denn noch heute – im Abstand von gut 250 Jahren – faszinieren die Blätter der Loggien-Serie mit ihrer im besten Sinne künstlerischen und dekorativen Kraft. Beispielhaft vorgeführt sei dies an dem 7. Blatt des ersten Teils, der auf 14 Blättern die Dekorationen der Pilaster der Innenwand der Loggien reproduziert. Beim siebten Pilaster ist ein belaubter Baum das bestimmende Gliederungselement. Hier konnte Giovanni da Udine seine außergewöhnliche Begabung als erfindungsreicher Ornamentgestalter einbringen. Er platzierte eine Vielzahl von Figuren, Tieren und anderen Motiven auf den Zweigen und Ästen. Udine war ein aufmerksamer Naturbeobachter und so findet man die Waldohreule, den Eichelhäher, den Wiedehopf und viele weitere Tiere. Besonders originell ist die Lösung der Pfeilerbasis. Hier befindet sich nicht – wie sonst üblich – ein Kandelaberfuß oder eine Vase, sondern ein kniender junger Mann, der allgemein als Vogelfänger bezeichnet wird. Er hält sich inmitten des belaubten Astwerks verborgen, hoffend, dass ihm diese Tarnung sein Handwerk erleichtert. Soweit ein Vergleich des heute stark beschädigten Wandbilds mit dem Druck erlaubt ist, kann man erkennen, dass Ottaviani all diese vielfältigen Details mit weitgehender Genauigkeit wiedergegeben hat. (Anm. 6) Allerdings erlaubte er sich bei der Anordnung weiterer Dekorationselemente einige Freiheiten. Es finden sich eher streng rhythmisierte Abfolgen von Vasen und Pflanzen bzw. kleinen Figurengruppen. Zu sehen sind zudem Fruchtgehänge, die vor dem blauen Fond ihre üppige Kraft wirkungsvoll entfalten können.
David Klemm

LIT (Auswahl): Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 104,
Nr. XIII.8; Höper 2001, S. 475, Nr. G 21.11, Abb. auf S. 474; Ausst.-Kat. Hamburg 2015, S. 40–41, Nr. 21 (Beitrag Frank Büttner)

1 Eine Ausnahme bildet die wohl in der Mitte des 17. Jahrhunderts entstandene 17-teilige Folge des Franzosen François de la Guertière, der einige Details der Wanddekorationen als Radierungen herausbrachte. Diese sind aber im Vergleich zu den ersten beiden Teilen der Edition Loggie di Rafaele nel Vaticano sehr ungenau. Zur Serie vgl. Höper 2001, S. 470–472, Nr. G 20.
2 Von den Bibelszenen sind beispielsweise nur ein Viertel der Motive abgebildet, da pro Joch nur eine Gewölbezone – gleichsam als pars pro toto – gezeigt wurde.
3 Dacos 2008, S. 318.
4 Zu den Stichfolgen vgl. Ausst.-Kat. Tours 2007 sowie Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 104–106, Nr. XIII., Abb. auf S. 468–489.
5 Vergleicht man verschiedene kolorierte Drucke, so finden sich z. T. große Abweichungen. So konnte beim Pilaster VII die Fondfarbe des Widerlagers mal in Rosa, mal in Hellblau ausfallen. Hierin dürfte auch ein Einfluss von Wedgwood und seinem Steingut zu sehen sein; vgl. Dacos 2008, S. 320.
6 Vgl. z. B. Dacos 1977, S. 270, Taf. 100.

Details zu diesem Werk

Kupferstich und Radierung; koloriert 1078mm x 427mm (Platte) 1078mm x 494mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 2020 vom Antiquariat Tresor am Roemer, Frankfurt a. Main, mit Mitteln des Fördervereins "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e.V." Inv. Nr.: 2020-16 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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