Lovis Corinth
Nach dem Bade - Strumpf anziehende Frau, 1906
Das Motiv der Zeichnung Nach dem Bade – Strumpf anziehende Frau erinnert an die impressionistischen Bildthemen eines Eduard Manet oder Claude Monet und deren gemeinsame, malerisch festgehaltene Bootsausflüge. Auch Corinths Blatt entstand 1906 im Zuge eines Ausflugs ans Wasser während eines Sommeraufenthalts in Lychen in der brandenburgischen Uckermark, wo der Maler für sich und seine Frau Charlotte Berend-Corinth ein Haus gemietet hatte, wie diese in ihren Erinnerungen schildert. (Anm. 1) Darin versunken, sich nach dem geringelten langen Strumpf auch den linken Schnürschuh anzuziehen, sitzt die junge dunkelhaarige Frau auf einem nicht weiter definierten Untergrund, der in einen abschirmenden Hintergrund übergeht. Anschließend an die vor Ort entstandene Zeichnung führte Corinth das Gemälde Nach dem Bade aus (1907, Hamburger Kunsthalle, HK-2375). Doch wurde darauf hingewiesen, dass die Zeichnung durchaus als eigenständiges Werk angesehen werden kann. (Anm. 2)
Nicht nur im buntfarbigen Gemälde, sondern auch in der mit Kohle und weißer Kreide ausgeführten Zeichnung macht das lebendige Licht, das die Figur überzieht, ein gleichwertiges Thema der Darstellung aus. Parallel zu den mit wenigen Linien umrissenen Konturen der Figur verleihen die in schwarzer Kohle auf dem groben Papier angelegten, weich auslaufenden Flächen der Zeichnung einen luftigen Charakter, indem ihre offene Textur eine zeichnerische Entsprechung für das durchdringende, stets veränderliche Licht anbietet. Die Helligkeit der Szene im sommerlichen Freiluftszenario wird ebenso durch das leuchtende Weiß der Kreidepartien betont, die das herabgerutschte Kleid darstellen, während die Farbigkeit des Papiers das Inkarnat der Badenden bildet.
Corinth nahm die Zeichnung in sein Handbuch Das Erlernen der Malerei auf und ordnete ihre Reproduktion dem Abschnitt über die Darstellung in Freilichtsituationen zu, welcher mit der Beobachtung einsetzt: „Im Freien ist das Licht zerstreut; es kommt von allen Seiten, überall Reflexe, so dass keine bestimmten Licht- und Schattenpartien zur Geltung kommen.“ (Anm. 3)
Judith Rauser
1 Vgl. Charlotte Berend-Corinth: Mein Leben mit Lovis Corinth, München 1947, S. 168–169.
2 Thomas Deecke: Die Zeichnungen von Lovis Corinth. Studien zur Stilentwicklung, Diss., Berlin 1973, S. 130-131, 294, Nr. 86.
3 Lovis Corinth, Das Erlernen der Malerei, Berlin 1908, S. 83.