Joseph Rebell

Blick auf Lesa am Lago Maggiore, 1812

Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich, (1842-1919), Bruder von Kaiser Franz Joseph I., war im Besitz von insgesamt 40 Veduten Rebells mit Ansichten der oberitalienischen Seen, die alle als Aquarell ausgeführt sind und ein einheitliches Format von ca. 280 x 420 mm aufweisen. Die Sammlung Ludwig Viktors geht zum größten Teil auf das Erbe seines Vaters, Erzherzog Karl Franz von Österreich (1802-1878), zurück, zu dem wahrscheinlich auch Rebells Ansichten gehörten. 1921 wurden die Aquarelle aus Ludwig Viktors Nachlass versteigert (Anm. 1) und gingen in verschiedene öffentliche Sammlungen und in Privatbesitz über bzw. tauchen bis heute im Kunsthandel auf. (Anm. 2) Die Angabe im Versteigerungskatalog, die Veduten seien 1810 und 1811 im Auftrage des Vizekönigs von Mailand, Eugène de Beauharnais (1781-1824), angefertigt worden, an dessen Hof Rebell sich von 1809 bis 1811 aufhielt, konnten Hertha Lischke und danach Michael und Almut Krapf revidieren. Sie haben nachgewiesen, dass Rebell nach der Invasion französischer Truppen Wien verließ und im Auftrag von Dominik Artaria, dem aus Como gebürtigen Wiener Kunsthändler und Graphikverleger, zunächst Ansichten aus der Schweiz und dann von den oberitalienischen Seen anfertigte. (Anm. 3) In einem Brief aus Mailand an Artaria aus dem Jahre 1811 hatte Rebell seinen Auftrag umrissen: „Ich verpflichte mich, dem Hr. Dominique Artaria schöne Villen, Tempeln und Landschaften etc. um den ausgemachten Preis zu machen. […]“ (Anm. 4) In einem weiteren Brief an Artaria vom 24. August des gleichen Jahres bedankte sich Rebell für die Zusendung zweier Bücher mit feinem Zeichenpapier und gleichzeitig für Probeandrucke nach seinen Zeichnungen. Während Rebell an den Ansichten noch zeichnete, wurden sie bereits in Wien in den Druck umgesetzt; in dem genannten Brief bemängelte Rebell vor allem eine zu starke Abschattung des Hintergrunds und die mangelnde Perspektive der Häuser. (Anm. 5) Rebell hatte bevor er ins Landschaftsfach wechselte, als Bauzeichner im Atelier des Wiener Architekten Louis de Montoyer gearbeitet, weshalb er mit dem Zeichnen von Architekturprospekten vertraut war. In einem letzten Brief an Artaria vom 19. September 1811 kündigte Rebell an, seine Abreise nach Rom bzw. Neapel auf das Frühjahr zu verschieben, und berichtete über weitere Reisen in die Gegend von Bergamo, „um die interessantesten Gegenstände für unsere Sammlung von Mailändischen aufzunehmen.“ (Anm. 6) Rebell war soeben von einer Reise in das oberitalienische Seengebiet zurückgekehrt: „Ich komme soeben von der Reise vom Lago Maggiore und Lago d’Orta zurück, und habe nach unserem Einverständnisse die wichtigsten Gegenstände aufgenommen, ich habe keine Mühe erspart um auch von diesen zweyen merkwürdigen Seen mahlerische Ansichten zu liefern.“ (Anm. 7) Eine Auflistung der interessantesten aufgenommenen Gegenstände beschließt den Brief, von Luzern und seinem See, Como und dem See sowie Lugano, dem Lago Maggiore und dem Lago d‘Orta. Insgesamt führt Rebell über sechzig Blätter an. (Anm. 8)
Die Hamburger Kunsthalle besitzt zwei Aquarelle aus dieser Folge, die 1811 datierte Ansicht von Mandello del Lario am Ostufer des Comer Sees nördlich von Lecco, mit dem Grigna-Massiv im Hintergrund, sowie die 1812 datierte Ansicht von Lesa, am Westufer des Lago Maggiore zwischen Meina und Belgirate gelegen. Auch die Ansicht von Lesa dürfte bereits 1811 auf der erwähnten Reise an den Lago Maggiore entstanden sein, denn es ist schwer vorstellbar, dass Rebell die Gegend zweimal aufsuchte, zumal er betonte, dass die Reise sehr teuer war.
Bis auf die Tatsache, dass Lesa im Mittelalter Sitz der Gerichtsbarkeit der Mailänder Bischöfe war, ist es genauso wie Mandello historisch unbedeutend. Rebell hat die aufgesuchten Orte nicht nach ihrer historischen Bedeutung aufgenommen, wie dies um 1800 etwa bei den römischen Veduten üblich war, sondern rein nach pittoresken und touristischen Gesichtspunkten. Eine Rolle für die Wahl der oberitalienischen Seen mag dabei auch gespielt haben, dass Dominik Artaria aus Blevio am Comersee stammte.
Die großformatigen Blätter sind hervorragend erhalten und von ungewöhnlich frischer Farbigkeit, die im Wien der Zeit ohne Beispiel ist. Zwar gab es in der ebenfalls von Artaria zwischen 1779 und 1798 herausgegebenen kolorierten Stichfolge von Stadtansichten von Carl Schütz, Johann Ziegler und Laurenz Janscha eine gewisse Tradition, doch sind sie noch der Tradition der barocken Vedute verhaftet. Auch hatte Rebell, bevor er in die Schweiz aufbrach, ideale Landschaften im Sinne Claude Lorrains komponiert (Anm. 9), und erst in seinen vier Ansichten aus den napoleonischen Kriegen 1810 ein wirklichkeitsnahes Bild der Landschaft in der Umgebung von Wien entworfen. (Anm. 10) Die Technik des Aquarells scheint Rebell in Wien noch nicht benutzt zu haben, erst mit Artarias Auftrag wandte er sich dieser Technik zu, die als bürgerliche Ausdrucksform von den neuen Verlagshäusern präferiert wurden, die druckgraphische Reihen veröffentlichten. Ausgehend von dem Wirklichkeitssinn Johann Christain Brands, der privat einige Schüler ausdrücklich in der „Wassermalerey“ unterrichtete (Anm. 11), fand Rebell im Gegensatz zu den in Wien ansässigen Romantikern zum Aquarell. Damit wurde er für die nachfolgende Generation von Aquarellisten wie Rudolf von Alt oder Thomas Ender richtungsweisend, die den luziden Kolorismus Rebells weiter entwickelten. In der Art der Farbigkeit und Auffassung des Aquarells, die der Wirkung einer kolorierten Umrissradierung nahekommt, mag auch der Einfluss der Schweizer Kleinmeister in der Nachfolge von Johann Ludwig Aberli nicht ohne Bedeutung gewesen sein.
Dem Auftrag gemäß, eine bestimmte Ansicht wiederzugeben, kann Rebell den Einfluss der Vedute zwar nicht verleugnen – auch seine Tätigkeit als Bauzeichner spielt hier eine Rolle -, doch schafft er stimmungsvolle Ansichten, die den atmosphärischen und den Erscheinungen des Lichts gerecht zu werden versuchen. Besonders auf der Ansicht von Mandello fängt Rebell eine morgendliche Stimmung ein, in der die Berge des Grigna-Massivs bereits von der Sonne scharf beleuchtet werden, während links sich der morgendliche Dunst erst vom Wasser zurückzieht.
Gegenüber einigen anderen Ansichten der Folge ist auffallend, dass die Hamburger Blätter am wenigsten komponiert wirken. Während auf anderen Blättern seitlich Bäume oder Bauwerke den Blick ins Bild begrenzen (Anm. 12), verzichtet Rebell auf den Hamburger Aquarellen auf solche Repoussoirs und strebt eine panoramaartige Ansicht an.

Peter Prange

1 Vgl. Dorotheum, Wien, Auktion 316, 30.5.-3.6.1921, S. 42, Nr. 248.
2 Nicht mehr alle Blätter lassen sich nachweisen, weshalb die folgende Auflistung unvollständig bleiben muss. Insgesamt sieben Blätter befinden sich in Wien in der Albertina: Villa Clerici am Comer See, Aquarell, Inv. Nr. 6238; Villa Serbollini, Aquarell, Inv. Nr. 6239; See von Masola, Aquarell, Inv. Nr. 6240; See von Lugano, 1810, Aquarell, 280 x 415 mm, Inv. Nr. 6241; Comer See bei Vavena, Aquarell, 280 x 415 mm, Inv. Nr. 6242; Blick auf den Comer See, 1811, Aquarell, 283 x 418 mm, Inv. Nr. 6243; Ansicht des Comer See mit der Isola San Giovanni, 1810, Aquarell, Inv. Nr. 38599. Für Auskünfte zu den Blättern danke ich Marie Luise Sternath-Schuppanz, Wien.
Borgo Vito bei Como, 1811, Feder in Braun, Aquarell, 277 x 413 mm, Museen der Stadt Lübeck, Museum Behnhaus-Drägerhaus, Inv. Nr. 2000/248, vgl. Kat. Lübeck 2007, S. 225, Abb. – Leno am Lago di Como, 1811, Aquarell, Bleistift, 280 x 412 mm, Wien, Sammlung des Fürsten von und zu Liechtenstein, Inv. Nr. GR 387, vgl. Johann Kräftner: Biedermeier im Haus Liechtenstein. Eine Epoche im Licht der fürstlichen Sammlungen, Ausst.-Kat. Liechtenstein Museum, Wien, München 2005, S. 255, Nr. 167, Farbabb. S. 187. – Am Comersee, 1812, Aquarell, 282 x 415 mm, Wien, Privatbesitz (?), vgl. Das Jahrhundert des Wiener Aquarells 1780-1880, Ausst.-Kat. Albertina, Wien, Wien 1973, S. 227, Nr. 54, Abb. S. 149 – Ansicht des Comer Sees, 1811, Aquarell, 283 x 422 mm, vgl. Kunst des 18. Und 19. Jahrhunderts, Stuttgarter Kunstkabinett, Sonderauktion 30.10.1956, S. 42, Nr. 238, Taf. 10. – Comer See mit dem Castello Vezio, 1811, Aquarell, Bleistift, 285 x 420 mm, Karl & Faber,München, Auktion 227, 4.12.2009, Nr. 296, Farbabb. – Wanderer am Lago di Como, 1811, Aquarell, 280 x 415 mm, Kieselbach Gallery, Budapest, Auktion 11.10.2005, Nr. 47, Farbabb. – Boote am Comersee, 1810, Aquarell, 280 x 410 mm, Dorotheum, Wien, Auktion 2022, 28.03.2003, Nr. 174, Farbabb. – Am Comer See, 1811, Aquarell, 280 x 415 mm, Kunstauktionshaus Schloss Ahlden, 29.09.2001, Nr. 1463, Farbabb. – Ansicht von Porto, Morcato und Vico Morcole, Bleistift, Aquarell, 270 x 410 mm, Dorotheum, Wien, Auktion 1925, 9.5.2000, Nr. 227, Farbabb. – Der Comer See mit Blick auf Menaggio, 1810, Bleistift, Aquarell, 270 x 410 mm, vgl. Kunst in München 1800-1914 und weitere Neuerwerbungen, Galerie Arnoldi-Livie, Katalog 24, München 2002, Nr. 16, Abb. Drei Ansichten vom Comer und Luganer See befanden sich zudem auf der Auktion 13.-15.4.1932, Nr. 150, doch ohne nähere Bezeichnung, weshalb eine weitere Zuordnung nicht möglich ist.
3 Michael und Almut Krapf: Der Wille des Kaisers: Vier neapolitanische Ansichten von Joseph Rebell für Franz I. von Österreich, in: Die Kunst als Spiegel des Lebens. Romantik und Realismus. Festschrift für Hannelore Gärtner, hrsg. von Gert-Helge Vogel, Greifswald 1999, S. 113-114.
4 Zitiert nach Hertha Lischke: Joseph Rebell (1787-1828), Phil. Diss. Univ. Innsbruck 1956, S. 107.
5 Stadt- und Landesbibliothek Wien, I.N. 76.682, vgl. Krapf 1999, S. 113.
6 Stadt- und Landesbibliothek Wien, I.N. 76.683, vgl. Krapf 1999, S. 114.
7 Ebd., S. 114.
8 Vgl. Lischke 1956, S. 18.
9 Ideale Landschaft mit Tempelgebäuden, Öl/Lw, 179 x 243 cm, Wien, Östrerreichische Galerie, Inv. Nr. 7867, vgl. Kunst des 19. Jahrhunderts. Bestandskatalog der Österreichischen Galerie des 19. Jahrhunderts, Band 3: L-R, bearbeitet von Bärbel Holaus, Elisabeth Hülmbauer, Claudia Wöhrer, Wien 1998, S. 233, Abb.
10 Vgl. ebd., S. 234, vgl. Boetticher 1898, Bd. II, 1, S. 368-369, Nr. 19-22.
11 Pörtschner 1964, S. 37, und S. 77.
12 Vgl. etwa Blick auf den Comer See, 1811, Aquarell, 283 x 418 mm, Wien, Albertina, Inv. Nr. 6243; Borgo Vito bei Como, 1811, Feder in Braun, Aquarell, 277 x 413 mm, Museen der Stadt Lübeck, Museum Behnhaus-Drägerhaus, Inv. Nr. 2000/248, vgl. Kat. Lübeck 2007, S. 225, Abb.

Details zu diesem Werk

Bleistift, Feder in Braun, Aquarell; Rahmung: Pinsel in Schwarz 280mm x 412mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 2011 mit Mitteln der Campe`schen Historischen Kunststiftung Inv. Nr.: 2011-555 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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