Nikolaus Knüpfer

Diogenes macht Platos Definition des Menschen lächerlich, 1645/50

Bei dem Blatt handelt es sich um die eigenhändige Replik einer Zeichnung, die sich heute in St. Petersburg befindet.(Anm.1) Das Hamburger Blatt dürfte der Fassung in St. Petersburg vorangehen, denn vor allem im Bereich der Füße und Hände sind einige Pentimenti erkennbar, die auf der Zeichnung in St. Petersburg fehlen. Auch scheint – soweit vom Photo beurteilbar – die kontrastreiche Lavierung in St. Petersburg weiter ausgeführt zu sein, was ebenfalls für eine erste Fassung des Themas in Hamburg sprechen würde.
Dargestellt ist, wie sich der Zyniker Diogenes, der allen weltlichen Dingen abschwor, über Platons Definition des Menschen lustig macht. Diogenes Laertius berichtet in seinem „Leben der Philosophen“ von einer Vielzahl von Auseinandersetzungen zwischen den beiden Philosophen, u. a. auch über Platons Definition des Menschen, den homo platonicus: Als Platon die Definition aufstellte, der Mensch sei ein federloses zweifüßiges Tier, und dafür Zustimmung erhielt, rupfte Diogenes einem Hahn die Federn aus und brachte ihn in Platons Schule mit den Worten „Das ist Platons Mensch“.(Anm.2) Diese Szene ist auf den beiden Blättern in Hamburg und St. Petersburg nicht direkt dargestellt, vielmehr scheint Knüpfer auf verschiedene Episoden aus dem Leben des Diogenes anzuspielen, worauf bereits Jo Saxton hingewiesen hat. Tatsächlich schildert Knüpfer eine ungewöhnliche Szene aus dem Leben des Philosophen Diogenes, für die sich vereinzelt Beispiele nachweisen lassen, doch halten diese sich dann sklavisch an den Text von Diogenes Laertius.(Anm.3) Gewöhnlicher und bekannter war im 17. Jahrhundert Diogenes’ vergebliche Suche mit der Laterne nach dem Menschen (Anm.4), die Knüpfer ebenfalls dargestellt zu haben scheint.(Anm.5) Saxton vermutet, dass Knüpfer mit dem Jungen, der vor Diogenes nach oben schaut, auf jene bekannte Episode anspielt, als Diogenes seine Tasse wegwarf, nachdem er gesehen hatte, wie der Junge aus seinen Händen trank.
Knüpfer hat das Thema auf die unmittelbare Konfrontation der beiden Philosophen verdichtet, in der wie auf den anderen Darstellungen die Akademie Platons keine Rolle spielt – allenfalls das geöffnete Tor könnte ihren Eingang bezeichnen. Vor den beiden Philosophen neben den drei Hühnern liegt der gerupfte Hahn, der aber in der Auseinandersetzung keine Rolle zu spielen scheint. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht das Gestikulieren der Hände – bei Platon argumentierend und abwägend, bei Diogenes mehr ostentativ zum Himmel zeigend wohl in Anspielung darauf, dass Diogenes das Licht der Schöpfung über alles stellte.

Peter Prange

1 St. Petersburg, Eremitage, Inv.-Nr. 7442, vgl. Jo Saxton: Nicolaus Knupfer. An Original Artist. Monograph and Catalogue Raisonné of Paintings and Drawings, Doornspijk 2005, S. 232–233, Nr. D 25, Abb. Jo Saxton hat auch die Eigenhändigkeit des Hamburger Blattes bestätigt.
2 Diogenes Laertius: Das Leben der Philosophen, VI, 40.
3 Zur Bildtradition vgl. Stefan Schmitt: Diogenes. Studien zu seiner Ikonographie in der niederländischen Emblematik und Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts, Hildesheim 1993, S. 261–269.
4 Ebd., S. 183–260.
5 Saxton (Anm. 1), S. 190, Nr. C 53. Ein anderes Gemälde von Knüpfer – einfach als „Een Diogenes“ bezeichnet – war einer der Preise auf einer im Juli 1649 von Jan de Bondt veranstalteten Kunstlotterie, vgl. ebd., S. 190, Nr. C 52.

Details zu diesem Werk

Feder und Pinsel in Braun, mit Weiß gehöht 373mm x 256mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 2006 mit Mitteln des Fördervereins "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e.V." Inv. Nr.: 2006-5 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 15.-18. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback
Weitere Werke von
Nikolaus Knüpfer