Friedrich Olivier

"Joh. 2, 15. 16." / Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel, um 1835

Bereits während seines Aufenthalts in Rom arbeitete Friedrich Olivier zusammen mit Julius Schnorr von Carolsfeld und den Künstlern des Lukasbundes an der gemeinsamen Herausgabe einer volkstümlichen Bilderbibel. Der 1821 eigens für dieses Vorhaben gegründete Künstlerverein traf sich im Palazzo Caffarelli, um über die Entwürfe zu den Illustrationen des Alten und Neuen Testaments zu diskutieren. So berichtet Schnorr seinem Vater in einem Brief vom 10. September 1821, er habe an „einem Cyklus aus der Geschichte Jakob“ gearbeitet und „einige kleine Kompositionen zur Bibel zum Vorzeigen (...) in unserer Versammlung“ gemacht. (Anm.1) Der Verein löste sich jedoch nach einem Jahr auf, ohne dass der Plan zur Ausführung gekommen war.
Um 1830 griff Olivier die Idee der Bibelillustrationen wieder auf. 1836 erschien die „Bilder-Bibel in fünfzig Darstellungen von Olivier. Nebst einem begleitenden Text von H. H. Schubert“ im Verlag von Perthes in Hamburg und Gotha. Ernst Förster lobte im "Kunst-Blatt" von 1835 die erste Lieferung der Blätter als ein lang ersehntes Werk, das in seiner Auffassung ganz den Forderungen nach "Einfachheit, Deutlichkeit und Würde" entsprächen: "alles ohne Aufwand, ohne Absicht, ohne Prätension gethan, gleichwie in der Bibel selbst". So empfiehlt er "dieses Werk, das augenscheinlich aus einem tieffühlenden, innigen und kunstbegabten Gemüth hervorgeht, (...) mit größter Zuversicht, überzeugt, dass es in allen christlichen Familien den erwünschesten Anklang finden wird." (Anm.2)
Die Darstellung zeigt die Austreibung der Händler aus dem Tempel nach Johannes 2, Vers 15 und 16: „Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus samt Schafen und Ochsen und verschüttete den Wechselern das Geld und stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben feilhielten: Traget das von dannen und machet nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus!“ Die Dramatik der biblischen Szene wird von Olivier in einer schlichten, beinahe ruhigen Darstellung wiedergegeben, die ohne jegliche Theatralik auskommt. Bei der Übertragung in den Kupferstich durch Julius Caesar Thaeter und Heinrich Merz ging jedoch viel von dem ursprünglichen Charakter der Vorzeichnungen, der zarten Bleistiftzeichnung mit den leichten Schraffuren und ihren weichen Schattierungen verloren.
Oliviers "Volksbilderbibel" bildete den Auftakt zu einer Reihe von nazarenischen Bibelfolgen: 1852-60 folgte Schnorr von Carolsfelds "Bibel in Bildern" mit 240 Holzschnitten und ebenfalls 1852 Friedrich Overbecks "Darstellung aus den Evangelien". Insgesamt haben diese Illustrationen durch ihre weite Verbreitung in Stich, Lithographie oder Holzschnitt wesentlich dazu beigetragen, durch "die Mittel der bildenden Kunst Antheil zu nehmen an der Erziehung und Bildung des Menschen", wie Schnorr es ihm Vorwort seiner "Bibel in Bildern" formulierte.

Petra Roettig

1 J. Schnorr von Carolsfeld: Briefe aus Italien 1817-1827, Gotha 1886, S. 238.
2 Kunst-Blatt, 16, 1835, S. 72.

Details zu diesem Werk

Bleistift; Einfassungslinie in in Schwarz 194mm x 132mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett. Erworben 2002 als Geschenk von Gianna und Thomas le Claire, Hamburg, an den Förderverein "Die Meisterzeichnung. Freunde des Hamburger Kupferstichkabinetts e.V." Inv. Nr.: 2002-1 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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