Francisco José de Goya y Lucientes, Radierer, Zeichner

"Tantalo." / Tantalus, 1799

Aus: "Los Caprichos", Blatt 9

Mit seinen 1799 ausgeführten »Los Caprichos« richtete Goya den erschreckend schonungslosen, kritischen Blick auf seine Zeitgenossen. Dabei deckte er die Missstände und Defizite in der spanischen Gesellschaft auf. Diese rührten von einer anhaltenden Auseinandersetzung zwischen einer den Idealen der Aufklärung verbundenen Politik und dem alten Machtgefüge von Inquisition und Monarchie. Goya thematisierte mit seinen hintergründigen Bildschöpfungen vor allem das Verhältnis von Mann und Frau, Konflikte zwischen den Generationen, die Kindererziehung sowie Schicksale von Frauen. Er kritisierte das Fehlverhalten der Menschen, enthüllte ihre Eitelkeit, Bestechlichkeit, Kriminalität und den vorherrschenden Amtsmissbrauch. Als Auftakt der Serie setzte er sein Selbstbildnis und unterstrich damit die künstlerische Invention der folgenden Blätter. Bis heute ist der Inhalt der Blätter in Verbindung mit ihren von Goya hinzugefügten Titeln schwer zu deuten. So gelang es ihm einerseits drastische Kritik zu üben und gleichzeitig den wahren Inhalt zu verschleiern. Es ist die Vieldeutigkeit der graphischen Folgen und ihrer Themen, die zu ihrer Faszination beitragen.

Eine leblose Frau liegt im Schoß eines Mannes, der die Hände vor dem Gesicht zusammenschlägt. Auf Blatt 9 verbindet Goya zwei Traditionen der Inszenierung von Schmerz miteinander und formt sie zu etwas Neuem: In der Darstellung verweist er auf die christliche Ikonographie der Pietà-Darstellungen, wobei er die Rollen Marias und Christus‘ vertauscht. Gleichzeitig greift der Titel den griechischen Mythos der Tantalusqualen auf, welche damals vor allem mit den Qualen der unerreichbaren Liebe verbunden wurden.

Ifee Tack
Vgl. Inv.-Nr. kb-1955-429a-9.

Details zu diesem Werk

Radierung und Aquatinta 181mm x 126mm (Bild) 205mm x 149mm (Platte) 310mm x 215mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1996-128-9 Sammlung: KK Druckgraphik, Spanien, 15.-19. Jh. © Bildarchiv Hamburger Kunsthalle / bpk, CC-BY-NC-SA 4.0

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