Johann Heinrich Tischbein d. Ä.
Bacchus tröstet die verlassene Ariadne, 1765
Verso: Venus und Adonis (dieselbe Figurengruppe seitenverkehrt)
Das bisher als „Abschied des Adonis von Venus“ gedeutete Blatt entstammt der „Ars Amatoria“ des Ovid. Dargestellt ist Bacchus – erkennbar am Weinlaub im Haar –, der die von Theseus verlassene Ariadne tröstet. Tischbeins Komposition geht zurück auf ein Gemälde gleichen Themas von Antoine Coypel (1661–1722), das Tischbein durch einen Stich von Gerard Audran († vor 1681 od. 1691), den er selbst besaß, bekannt war. Die Beschriftung „an das hf Landgräfl. Durchl Cabinet“ legt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Entwurf für ein Gemälde handelt, das zur Ausstattung eines der Kabinette des Landgrafen gehörte. Die Szene entspricht vollkommen einem Gemälde gleichen Themas im Tischbeinzimmer des Weißensteiflügels in Schloss Wilhelmshöhe (Anm.1), denn entgegen der von Tiegel-Hertfelder vertretenen Meinung sind auch auf der Zeichnung nicht die tanzenden Mänaden und Satyrn im Hintergrund rechts weggelassen worden.(Anm.2) Das Gemälde ist 1757 datiert, doch hat Tiegel-Hertfelder darauf hingewiesen, dass es offenbar nachträglich – möglicherweise anlässlich einer Inventarisation – bezeichnet wurde. Die Signatur und Datierung auf der Zeichnung nennt das Jahr 1765, so dass das Gemälde erst für Landgraf Friedrich II. entstand.(Anm.3) Die Verwendung des Terminus „pinxit“ in der Signatur deutet darauf hin, dass die Zeichnung nach dem Gemälde entstand, was die Frage aufwirft, wofür die Zeichnung diente.
Die Zeichnung ist 1783 von Johann Heinrich Tischbein d. J. (1742–1808) im Gleichsinn radiert worden, wobei er die Szene allerdings in ein schmales Hochformat umsetzte und das tanzende Gefolge rechts durch einen Blick auf das Meer ersetzte.
Peter Prange
1 Tiegel-Hertfelder 1996, S. 330–331, Nr. G 31, Abb. 42.
2 Die Zeichnung ist möglicherweise mit der bei Joseph Friedrich Engelschall: Johann Heinrich Tischbein, ehemaliger Fürstlich Hessischer Rath und Hofmaler, als Mensch und Künstler dargestellt, Nürnberg 1797, S. 133, Nr. 40, genannten Zeichnung identisch.
3 Auch Engelschall erwähnt in seiner Abhandlung über Tischbein das Gemälde im Weißensteinflügel und nennt als Entstehungsjahr 1765, vgl. ebd., S. 95, Nr. 11.