Verlag G.v.Pape, München, Verleger
Gerhard Richter, Fotograf
Hoppe + Werry OHG, Mülheim/Ruhr, Drucker
Heiner Friedrich, Verleger

Ohne Titel, 1969

Aus: "Neun Objekte", 9 Offsetdrucke, München 1969, Blatt 1

Auch wenn Gerhard Richter sich in erster Linie als Maler von realistisch anmutenden „Photo“-Bildern sowie abstrakten Werken versteht und nicht als Graphiker, hat er doch im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung ebenfalls die vielfältigen photographischen Reproduktionstechniken (Offsetdruck, Siebdruck, Heliogravüre und Lichtdruck) erprobt. Richter wollte die Möglichkeiten erkunden, die das Medium der Druckgraphik als Ausdrucksmittel für die Photographie bot, was in den 1960er Jahren noch unkonventionell erschien. Insbesondere die Serie Neun Objekte veranschaulicht die Dekonstruktion der – vermeintlichen – Objektivität des photographischen Mediums und untersucht Fragen der Darstellung und Illusion im Hinblick auf ihre Relevanz in Zeiten künstlerischer Entwicklungen wie Minimal und Conceptual Art. Auf raffinierte Weise verbindet er hier Druckgraphik und Photographie, um optische Täuschungen hervorzurufen. Bei den im Titel genannten Objekten handelt es sich um neun von ihm selbst angefertigte dreidimensionale Holzgebilde – offene Würfel- und Dreiecksformen oder Rahmen –, die er in einem häuslichen Interieur photographierte. Anschließend wurden die Photographien so retuschiert, dass die räumlichen Verhältnisse, in denen die Objekte stehen, nicht mehr nachvollziehbar sind, und in diesem Zustand wieder abgelichtet, um sie dann im Offsetverfahren in teils verschwommenen Grautönen zu drucken. Bei dem Ergebnis ist beispielsweise in der Anordnung zweier halber Rahmen nicht klar erkennbar, welcher vor dem anderen platziert ist, und ein quadratischer Rahmen suggeriert ein immerwährendes Wechselspiel, in dem die Betrachter*innen ihn einmal in einer stehenden und dann wieder in einer liegenden Position zu erkennen vermeinen. Gerade die visuellen Manipulationsstrategien in Grau-Optik wirken wie ein konträrer Kommentar zu den farbkräftigen Illusionen von Op-Art-Künstlern wie Victor Vasarely. Indem die manipulierten Konstruktionen zusätzlich auch noch auf einem Kaffeetisch oder Campingstuhl erscheinen, wird das Irritationsmoment für die Rezipient*innen noch potenziert und weist umso mehr auf die Beschränktheit der Wahrnehmungsmöglichkeiten hin.


Even though Gerhard Richter sees himself primarily as a painter of realistic-looking “photo” pictures and abstract works rather than as a graphic artist, he has tried his hand at a variety of photographic reproduction techniques (offset printing, screen printing, photogravure and photolithography) in the course of his career. Richter was interested in exploring the possibilities that the medium of printmaking offered as a means of expression for photography, a pursuit that still seemed quite unconventional in the 1960s. The series Neun Objekte illustrates particularly clearly Richter’s deconstruction of the – supposed – objectivity of the photographic medium as he examined the relevance of representation and illusion at a time when artistic trends such as Minimalism and Conceptual Art were coming to the fore. He combines printmaking and photography in a sophisticated way here to create optical illusions. The objects in the title are nine three-dimensional wooden structures – open cuboid or triangular forms or frames – which he made himself and then photographed in a domestic interior. He then retouched the photographs to obscure the spatial conditions in which the objects are located and photographed them again in this state in order to then print them in partially blurred grey tones using the offset process. In one of the resulting prints, which shows an arrangement of two half-frames, it is not possible to say for sure which frame is in front of the other, and a square frame in another image suggests a perpetual back-and-forth between an apparent standing and reclining position. These visual manipulation strategies in grey seem to be a contrary commentary on the colourful illusions created by Op Art artists like Victor Vasarely. By placing the manipulated constructions on a coffee table or camping chair, Richter heightens the moment of irritation for the recipient even further, underscoring once more our limited faculties of perception.

Leona Marie Ahrens


Lit.: Gerhard Richter. Editionen 1965–2004. Catalogue Raisonné, hg. von | ed. Hubertus Butin und | and Stefan Gronert, Ostfildern-Ruit 2004, S. | pp. 158–159.
Uwe M. Schneede: Gerhard Richter in der Hamburger Kunsthalle. Hamburg 1997, S. | pp. 16–17.
Gerhard Richter. Frühe Druckgrafik, Ausst.-Kat. | exh. cat. Galerie Bernd Slutzky. Frankfurt am Main 1992.

Details zu diesem Werk

Offset, in Schwarz, Karton 320mm x 325mm (Bild) 449mm x 450mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1993-47-a Sammlung: KK Druckgraphik, 20.-21. Jh. Anzahl Teile: 9 © Gerhard Richter / Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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