Sigmar Polke
Ohne Titel, um 1980
Wie in seinen Gemälden experimentierte Polke auch bei seinen graphischen Arbeiten mit verschiedenen Techniken, von der Collage über Foto- oder Offsetdruck bis zur Rasterzeichnung. Ironie und Magie prägen dabei seine Bilderfindungen und seinen unorthodoxen Umgang mit dem Material. Typisch für die Zeichnungen der späten 1970er Jahre sind die Überlagerung und Schichtung von Schablonengraffiti mit Elementen aus Comic und Pop, gemixt mit Holzschnittmotiven der Dürer-Zeit oder des 19. Jahrhunderts. Auch das Bild des Astronomen entstammt einer solchen Vorlage, die Polke per Diaprojektion mit schwarzen Linienkonturen auf die Zeichnung übertrug. Vor dem malerischen Hintergrund spießt der Gelehrte seine Gabel in das Zentrum eines Atom- oder Saturnmodells, dessen kreisförmige Umlaufbahnen ein mit Kreuzen übersätes Blatt Papier durchstoßen. Als „Meister der Ambivalenz und paradoxen Effekte“ (Bice Curiger) gelingt es Polke, mit dieser Überlagerung der Bildebenen neben gesellschaftlicher Kritik vor allem die Komplexität von Wahrnehmung und Sehen zu hinterfragen.
Petra Roettig