Georg Lemberger, zugeschrieben

Vier Männerköpfe

Winzinger hat in den beiden vorderen Köpfen Kopien nach Zeichnungen Wolf Hubers aus der Zeit um 1515/20 vermutet, die möglicherweise aus verschiedenen Vorlagen zu einem Studienblatt zusammengefügt wurden; die beiden mittleren Köpfe dagegen hielt er für freie Zutaten eines schwachen Nachahmers.
Vergleichbare Bildniszeichnungen in Feder sind von Huber nur in dem Brustbildnis eines Jünglings in London erhalten (Anm1), doch hat Winzinger darauf hingewiesen, dass die Hamburger Zeichnung und ein Blatt in Erlangen (Anm.2) Beleg für die ursprüngliche Existenz einer größeren Anzahl von solchen Federzeichnungen sind. Zeichnungen dieser Art waren offensichtlich Vorbild für ähnliche Arbeiten – etwa ein Blatt mit acht Männerköpfen in Stockholm (Anm.3) – von Georg Lemberger, den Fritz Koreny als Autor des Blattes vorgeschlagen hat.(Anm.4) Anlässlich der Publikation des Hamburger Blattes 1970 hatte Stubbe bereits auf Lemberger und auf die von Winzinger ihm zugeschriebene Zeichnung eines kreuzhaltenden Eremiten in London hingewiesen (Anm.5), die Stubbe vor allem „von der Zeichenweise her gesehen“ ähnlich erschien, durch ihre „Temperamentlosigkeit“ aber unterlegen sei. Auch wenn das Londoner Blatt in seiner Zuschreibung umstritten ist (Anm.6), erscheint der Blick des vorderen Mannes rechts mit den von Winzinger so genannten „Hemdknöpfchenaugen“ vergleichbar, allerdings erreicht es nicht die nahezu vibrierende Impulsivität des Strichs auf dem Londoner Blatt. Die wenig frei gesetzten Striche und die etwas schematischen Schraffuren auf dem Hamburger Blatt sprechen für eine Kopie nach einem zeitnahen Vorbild, das möglicherweise von Huber stammt. Der Gesichtsausdruck des rechten Mannes erinnert aber auch an die hl. Magdalena aus der Sammlung Koenigs, die Winzinger Lemberger zugeschrieben hat (Anm.7), weshalb eine Zuschreibung an Lemberger oder sein unmittelbares Umfeld möglich erscheint.

Peter Prange

1 London, Guildhall Library, vgl. Winzinger 1979, S. 120–121, Nr. 113.
2 Erlangen, Graphische Sammlung der Universitätsbibliothek, Inv.-Nr. II E 50, vgl. Winzinger 1979, S. 151, Nr. 204.
3 Stockholm, Nationalmuseum, Inv.-Nr. NM 40/1918, vgl.Per Bjurström: German Drawings. Drawings in Swedish Public Collections Bd. 1, Stockholm 1972, o. S., Nr. 59.
4 Mündliche Mitteilung vom 20.04.2005.
5 London, British Museum, Inv.-Nr. 1949-4-11-116, vgl. Franz Winzinger: Unbekannte Zeichnungen Georg Lembergers, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft XVIII, 1964, S. 81.
6 Der Zuschreibung des Eremiten in London an Lemberger hat John Rowlands im Kat. London 1993, S. 185–186, Nr. 397, widersprochen und stattdessen die alte Zuschreibung der Zeichnung an Huber durch Otto Benesch: Wolf Huber, in: Old Master Drawings XIV, No. 54–56, 1939/40, S. 60–62, vehement verteidigt.
7 Ehemals Sammlung Koenigs, Haarlem, Inv.-Nr. D. I. 225, vgl. Franz Winzinger: Zum Werk Wolf Hubers, Georg Lembergers und des Meisters der Wunder von Mariazell, in: Zeitschrift für Kunstwissenschaft XII, 1958, S. 84–86. Albert J. Elen: German Master Drawings from the Koenigs Collection. Return of a Lost Treasure, Rotterdam 2004, o. S., Nr. 123, hat jüngst das Blatt ohne Angabe von Gründen der Donauschule zugeordnet.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun 194mm x 160mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1975-43 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 15.-18. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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