Pietro Faccini

Die büßende Maria Magdalena

Die Darstellung der in einer idyllischen Landschaft lesenden Maria Magdalena zählte zu den besonders beliebten Motiven der italienischen Kunst des 16. und frühen 17. Jahrhunderts. So lassen sich von dem Hamburger Motiv drei weitere Zeichnungen und zwei Holzschnitte nachweisen. Dem Hamburger Blatt qualitativ am nächsten steht die Budapester Version, die eine besonders differenzierte Detailbehandlung aufweist.(Anm. 1) Dies zeigt sich beim Haar der Magdalena und beim Laub der dichten Baumgruppe im rechten Hintergrund. Zudem ist dort der Landschaft ein besonders großes Gewicht eingeräumt, was auf ein Beschneiden des möglicherweise ursprünglich größeren Hamburger Blattes hindeuten könnte.(Anm. 2) Trotz dieser Unterschiede ist es sinnvoll, beide Blätter aufgrund der starken Ähnlichkeiten einem Künstler zuzuschreiben.
Die Hamburger Zeichnung wurde früher dem Carracci-Umkreis zugeordnet. Die heute gültige Attribution an Pietro Faccini geht auf Philip Pouncey zurück, der das ähnliche Budapester Blatt dem Bologneser Künstler per Kartonnotiz zugeschrieben hatte.(Anm. 3)
Ein weiteres Exemplar aus dem ehemaligen Besitz Jabachs befindet sich im Louvre (Anm. 4); es wird einem nicht näher bestimmbaren Mitarbeiter Annibale Carraccis zugeschrie-ben und könnte nach der Budapester Fassung kopiert worden sein. Eine weitere, künstlerisch wenig anspruchsvolle Wiederholung des Motivs befindet sich in Oxford.(Anm. 5)
Wie Achilles-Syndram hervorhob, schwankte die Zuschreibung der Bilderfindung im Laufe der Jahrhunderte.(Anm. 6) Der französische Radierer Michelange Corneille (1642–1708) publizierte die Louvre-Magdalena als Werk Annibale Carraccis. Dagegen ist die Budapester Variante durch das Faksimile Johann Gottlieb Prestels sowie in den Katalogen von Frauenholz und Murr als Correggio veröffentlicht worden. Diese Benennungen sind angesichts des geringen Bekanntheitsgrades Faccinis im 17. und 18. Jahr-hundert nachvollziehbar. Tatsächlich lassen sich diverse Verbindungen zu Gemälden Annibale Carraccis und Correggios herstellen. So könnte z. B. die Grundidee der in freier Natur lesenden Magdalena von Correggios vielfach kopiertem Gemälde (ehemals Dresden) angeregt worden sein.(Anm. 7) Czére wies hinsichtlich der Landschaftsdarstellung auf Bezüge zu Annibale Carraccis Washingtoner Landschaftsbild hin.(Anm. 8) Dies wür-de eine Datierung um 1590 nahe legen. In der Rezeption von den Ideen des großen Bolognesen gelang Faccini ein wichtiger Schritt, stellt doch, wie Andrea Czére fest-stellte, seine Komposition eine der ersten idyllischen Darstellungen der idealen Land-schaft dar.(Anm. 9)

David Klemm

1 Budapest, Szépművészeti Múzeum, Inv.-Nr. K 58.1184; Andrea Czére: 17th Century Italian Drawings in the Budapest Museum of Fine Arts. A Complete Catalogue, Budapest, Szépművészeti Múzeum, Budapest 2004, S. 154–155, Nr. 141.
2 In Hamburg fehlen vor allem der Baum links und das Felsgestein im Vordergrund.
3 Andrea Czére: 17th Century Italian Drawings in the Budapest Museum of Fine Arts. A Complete Catalogue, Budapest, Szépművészeti Múzeum, Budapest 2004, S. 154.
4 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 7503. Vgl. Musée du Louvre. Département des arts graphiques. Inventaire général des dessins italiens VII: Ludovico, Agostino, Annibale Carracci, bearb. v. Catherine Loisel, Paris 2004, S. 226–227, Nr. 462.
5 James Byam Shaw: Drawings by Old Masters at Christ Church Oxford, 2 Bde., Oxford 1976, I, S. 253, Nr. 959.
6 Achilles-Syndram in: Kunst des Sammelns. Das Praunsche Kabinett. Meisterwerke von Dürer bis Carracci, Katalog v. Kathrin Achilles-Syndram, hrsg. v. Kurt Löcher, Ausst.-Kat. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 1994, S. 246.
7 Gemäldegalerie Die Staatliche Gemäldegalerie zu Dresden. Erste Abteilung. Die romanischen Länder Italien, Spanien, Frankreich und Russland, Berlin 1929, S. 78, Nr. 158, mit Abb.
8 Andrea Czére: Disegni di artisti bolognesi nel museo delle belle arti di Budapest, Bologna 1989, S. 58.
9 Andrea Czére: 17th Century Italian Drawings in the Budapest Museum of Fine Arts. A Complete Catalogue, Budapest, Szépművészeti Múzeum, Budapest 2004, S. 155.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun laviert 219mm x 318mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1972-83 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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