Stefano della Bella

Skizze eines auf einem Greif sitzenden Putto und zwei weiteren Greifen in einem Dekorationssystem

Die leichte und schemenhafte Skizze könnte einen Entwurf für eine Wandgestaltung darstellen. Denkbar wäre die Folge von gerahmten Wandfeldern (für Gemälde ?), oberhalb derer ein Fries angebracht werden sollte. Dieser bietet eine elegante Folge von Adlern, die jeweils ein durchgehendes Band im Schnabel halten, und einem, auf einem der Adler sitzenden Putto. Eine Realisierung ist nicht bekannt.

David Klemm

verso:
Initiale „M“: Der Tod als Skelett nimmt eine neben ihm stehende Figur an die Hand, rechts daneben Schriftzug; Skizze einer Kartusche mit Greifen (um 180° gedreht)
Die Zeichnung weist innerhalb des Hamburger Klebebandes die wohl abstraktesten Entwurfsstudien auf. Vor allem die zarten Kreideskizzen sind kaum mit bekannten Formen zu verbinden. Hier sind fließende Andeutungen an die Stelle konkreter Detailausführung getreten. Denkbar ist, dass es sich um den frühen Entwurf für ein Dekorationssystem handelt. Della Bella hat derart zur Abstraktion tendierende Liniengefüge mehrfach gezeichnet.(Anm. 1) Diese Facette seines Schaffens spiegelt sich im Klebeband, der nur ein solches Beispiel enthält, nicht angemessen wider.
Auch die in Feder ausgeführte Darstellung im unteren Blattbereich erreicht die Grenzen der Abstraktion. Erkennbar ist links das Skelett des die Zähne zeigenden Todes, dessen rechte Hand wohl einen Menschen ergreift. Dieser ist nur durch einen kleinen Kopf und den ansonsten strichartigen Leib charakterisiert. Die lateinische Schrift deutet darauf hin, dass es sich um einen Entwurf im Zusammenhang mit einer größeren Grabanlage handeln könnte. Vor diesem Hintergrund könnte man die beiden Figuren in ihrer bloßen Form als Buchstaben „M“ lesen, womit wiederum eine Anspielung – z. B. auf die Medici – denkbar wäre. Zu dieser Skizze lässt sich eine kleine Studie in der Biblioteca Marucelliana in Florenz hinzufügen, die ebenfalls die Verbindung von Skelett und Buchstabe zeigt.(Anm. 2) Dort sind es die Buchstaben R und E, die mit dem Tod verbunden werden.
Möglicherweise dokumentieren die beiden Zeichnungen ein Projekt, das della Bella in Anlehnung an Vorbilder deutscher Künstler entwickelte. Die Idee dürfte von Hans Holbein dem Jüngeren angeregt worden sein, der in seinem berühmten Alphabet des Todes jeden einzelnen Buchstaben mit einer Darstellung des den Tod bringenden Sensenmannes versehen hatte.(Anm. 3) Della Bella hatte sich – wie aufgezeigt – intensiv mit Holbein auseinandergesetzt (vgl. Inv.-Nr. 1967-110) und dürfte die Folge gekannt haben.
Weitaus näher stehen della Bellas Figuren in formaler Hinsicht allerdings Peter Flötners Menschenalphabet.(Anm. 4) In dieser Folge hatte der Nürnberger Künstler eine phantasievolle Variation von menschlichen Körpern in Buchstabenform entworfen. Vielleicht plante della Bella eine ähnliche Buchstabenfolge mit toten Menschenkörpern. Da außer den zwei genannten Zeichnungen keine weiteren Beispiele bekannt sind, ist anzunehmen, dass della Bella die Folge nicht zu Ende führte. Vielleicht merkte er auch, wie am Buchstaben „E“ zu sehen ist, dass die Gestaltungsmöglichkeiten wegen des von ihm gewählten Motivkreises – im Gegensatz zu demjenigen von Flötner – begrenzt waren.

David Klemm

1 Vgl. z. B. die Bestände in der Biblioteca Marucelliana in Florenz.
2 Inv.-Nr. Vol. D 71; 40 x 70 mm.
3 Vgl. Hans Holbein d. J. Die Druckgraphik im Kupferstichkabinett Basel, bearb. v. Christian Müller, Basel 1997, S. 325, Nr. 158 und Abb. S. 229.
4 Vgl. Zauber der Medusa. Europäische Manierismen, konzipiert v. Werner Hofmann, hrsg. v. den Wiener Festwochen, Ausst.-Kat. Wiener Künstlerhaus, Wien 1987, S. 309–310, Kapitel VII, Nr. 6. z.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, schwarzer Stift 169mm x 233mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-87 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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