Stefano della Bella

Ansicht des Torre Guelfa in Pisa mit der Ponte a Mare, nach 1633

Die Zeichnung zeigt eine Ansicht der Ponte a Mare in Pisa von Süden.(Anm. 1) Gut zu erkennen sind der im frühen 15. Jahrhundert im Kern vollendete Turm und links davon Teile der Cittadella, der städtischen Festung.
Die Ponte a Mare bildete als letzte westliche Brücke im Stadtgebiet stets eine wichtige Verbindung zwischen den südlich des Arno gelegenen Vierteln und den nördlichen Teilen.(Anm. 2) Da sich direkt nördlich der Brücke der militärische Bereich Pisas erstreckte, kam ihr eine wichtige strategische Bedeutung zu. Die aus dem Mittelalter stammende Brücke wurde wiederholt stark beschädigt, sei es durch Hochwasser, sei es während der Eroberung der Stadt durch die Florentiner. 1634 beschloss man aufgrund der Bauschäden einen aufwendigen Abriss und Neuaufbau. Soweit dies anhand der Ansicht zu beurteilen ist, dokumentiert della Bellas Zeichnung die neu erbaute Brücke, denn das Mauerwerk erweckt einen sehr soliden Eindruck. Dass della Bella – wie gewohnt bei derartigen Aufnahmen – ziemlich genau zeichnete, ist daran erkennbar, dass er die eigenartige Höhe des zweiten Bogens richtig festhielt.
Da keine weitere genaue Ansicht der Brücke aus dem frühen 17. Jahrhundert überliefert ist, kommt der Zeichnung einige Bedeutung für die Stadtgeschichte Pisas zu. In diesem Zusammenhang verdient auch eine im Privatbesitz befindliche Zeichnung mit einer Darstellung der alten Brücke Beachtung.(Anm. 3) Sie zeigt noch das wenig stabile Geländer aus Holz. Auffallend ist, dass zwischen della Bellas Ansicht der neuen Brücke und diesem Blatt größere Detailunterschiede bestehen. So wirkt das Gebäude links vom Brückendurchgang auf dem Hamburger Blatt deutlich breiter. Zudem gibt es Unterschiede bei der Anordnung der Fenster. Die Zeichnung mit der Ansicht der alten Brücke wird seit längerem Stefano della Bella zugeschrieben und ist aufgrund der Datierung vor 1634 für die Kenntnis seines zeichnerischen Frühwerks relevant.(Anm. 4) Soweit nach einer Reproduktion zu beurteilen, lassen sich eine vergleichbare Zeichentechnik und Figurendarstellung allenfalls bei der großen Pariser Vorzeichnung des Einzugs des polnischen Botschafters in Rom 1633 ausmachen.(Anm. 5) Danach änderte sich della Bellas Zeichenstil weitgehend.
Eine genaue Datierung der Hamburger Zeichnung ist schwierig. Della Bella hielt sich mehrfach in der Stadt auf, die ja zum Herrschaftsgebiet der Medici zählte. Er passierte sie auf dem Weg nach Livorno, wo der Künstler wiederholt gezeichnet hat. Um 1633 – wohl noch vor seiner Abfahrt nach Rom – fertigte della Bella in der Stadt Studien für eine Radierung mit der Ansicht der Ponte Vecchio und der angrenzenden Uferregion an.(Anm. 6)
Eine Ansicht von Francesco Giuliani aus dem 19. Jahrhundert zeigt die deutlichen Veränderungen, die seit della Bellas Dokumentation eingetreten waren. So war z. B. die Spitze des Turmes um ein kleines Geschoss erhöht worden. Stärker umgebaut worden waren auch der Bau über dem Brückendurchgang und das links angrenzende Haus.(Anm. 7)
Die Brücke stürzte im 19. Jahrhundert ein; der gesamte Bereich erlitt im Zweiten Weltkrieg schwere Schäden.

David Klemm

1 Wulf Stubbe notierte am Rand der Zeichnung in den Klebeband: „Pisa ?“, womit die Lokalisierung des dargestellten Ortes angedeutet worden ist.
2 Emilio Tolaini: I ponti di Pisa. Quaderni di Architetture, Pisa 2005, S. 51–63.
3 Tolaini 2005, S. 55.
4 Ebd.
5 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 430; Dessins de Stefano della Bella 1610-1664. Musée du Louvre, Cabinet des dessins. Inventaire général des dessins italiens. Bd. 2., bearb. v. Françoise Viatte, Paris 1974, S. 37–40, Nr. 12.
6 Diese Radierung wurde 1634 von dem Florentiner Antonio Francesco Lucini (1610 [?]– ?) gestochen. Vgl. Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, 2 Bde., New York 1971, S. 161–162, Nr. 1059.
7 Vgl. Tolaini 2005, S. 53.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun über schwarzem Stift, grau laviert 115mm x 185mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-284 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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