Stefano della Bella

Löwenkopf im Profil nach rechts, um 1641(?)

Vorstudie für die Darstellung eines Löwen im Profil (de Vesme/Massar 729) für die kleine Serie „Têtes de différents animaux: quattre pièces“ (de Vesme/Massar 726–729).(Anm. 1) Della Bella hatte in Florenz die Möglichkeit, diese imposanten Tiere zu studieren. Als Symbolfigur der Stadt wurden sie wohl schon seit dem 13. Jahrhundert bis ins Jahr 1776 in einem Löwenzwinger zunächst an der Piazza San Giovanni, nach verschiedenen Umzügen dann hinter dem Palazzo Vecchio gehalten.(Anm. 2)
Trotz dieser günstigen Ausgangssituation für das Studium lebender Tiere sind der Zeichnung Unsicherheiten des Künstlers anzumerken. Dies verdeutlicht vor allem ein Vergleich mit der Vorzeichnung eines Pferdekopfes für die gleiche Serie (vgl. Inv.-Nr. 1967-235), die mit präziser Sicherheit die Formen der Radierung vorgibt. Trotzdem kann die Hamburger Zeichnung ohne Frage als seitenverkehrte Vorstudie für die oben genannte Radierung angesehen werden. Das Löwenhaupt weist bereits die wesentlichen Elemente, so die charakteristische Stirnwölbung, die lange flache Nase oder den geöffneten Mund, auf. Auffallend ist, dass so charakteristische Elemente, wie die Barthaare und die sprichwörtliche Mähne nicht dargestellt und die Zähne nur schwach erkennbar sind.
Eine Zeichnung der ehemaligen Sammlung Tomkins zeigt einen nahezu identischen Kopf, wobei die Strichführung etwas dichter und akzentuierender ist und damit fast an eine Radierung erinnert.(Anm. 3) Bei der endgültigen Bildfindung hat della Bella diese Akzente – z. B. die Herausarbeitung der Wangenknochen, die Präzisierung der Augen usw. – verstärkt. Als wesentliche Zutat erhielt der Löwe nun auch Barthaare, Zähne und Mähne.
Anna Forlani Tempesti vermutete, dass die Hamburger Zeichnung nach einer Antike entstanden sein könnte.(Anm. 4) Tatsächlich sind der etwas starre Ausdruck und vor allem das Fehlen der Barthaare mögliche Indizien für eine solche Sichtweise.
Dass della Bella antike Löwendarstellungen studierte, belegt eine Zeichnung in den Uffizien. Sie zeigt einen schreitenden Löwen nach einem Relief, das – wohl aus Tivoli stammend – in einer Wand des Palazzo Barberini eingemauert worden war.(Anm. 5)
Dass es sich um eine Kopie nach einer Antike handelt, zeigt auch ein Vergleich mit anderen deutlich lebendiger wirkenden Löwendarstellungen des Künstlers.(Anm. 6)

David Klemm

1 Zur Serie und der Frage der Datierung vgl. Inv.-Nr. 1967-235
2 Vgl. Stefano della Bella. Ein Meister der Barockradierung, mit Beiträgen von Jessica Mack-Andrick, Dorit Schäfer, Angela Vollmer, Ausst.-Kat. Kunsthalle Karlsruhe 2005, S. 146.
3 A Collection of Drawings by Stefano della Bella. The Property of a Gentleman [Slg. Thomas Tomkins (1743-1816)], Aukt.-Kat. Christie’s, London, 18.3.1975, Nr. 26 (84), Taf. 16.
4 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 26. 3. 2008.
5 Vgl. Francesca Romei: Il contratto del disegnatore, Stefano Della Bella e il disegno dall’antico, in: Art e dossier 9, 1994, S. 37.
6 Aukt.-Kat. London, Tomkins 1975, Tafeln 14–15.



Studie für das Blatt mit drei Löwenköpfen (V 209/4 (dV/M 729 II/II), 1641

Details zu diesem Werk

Feder in Braun über Spuren eines schwarzen Stifts 102mm x 93mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-237 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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