Stefano della Bella

Studie des Pferdekopfes der Reiterstatue des Marc Aurel im Dreiviertelprofil

Das Blatt zeigt den Pferdekopf der Reiterstatue des Marc Aurel. Dieses einzige aus der Antike überlieferte Reiterdenkmal erregte seit der Renaissance die Aufmerksamkeit der Künstler.(Anm. 1)
Della Bella hat die Studie sicherlich auf dem Kapitol in Rom angefertigt, wo die Reiterstatue 1538 aufgestellt worden war. Der Künstler hat sich mehrfach mit dem berühmten Denkmal beschäftigt, aber keine dieser Zeichnungen erreicht die Genauigkeit des Hamburger Blattes.(Anm. 2)
Die Zeichnung gibt nahezu sämtliche Details des Kopfes und des besonders dekorativen Zaumzeugs wieder. Insgesamt bestehen lediglich kleinere Unterschiede, so ist etwa der Haarschopf zwischen den Ohren etwas breiter angelegt.
Wie beim „Borghese Curtius“ (vgl. In.-Nr. 1967-219) tritt della Bella hier als getreuer Dokumentar auf. Dieser Sorgfalt entspricht die für della Bella eher ungewöhnlich exakte und detailliert kontrollierte Zeichenweise. Sie erklärt sich zum Teil dadurch, dass die Studie eine Vorzeichnung im Gegensinn zum linken Teil der Radierung de Vesme/Massar 728 ist. Das Blatt erschien innerhalb der kleinen Serie „Têtes de différents animaux: quattre pièces“ (de Vesme/Massar 726–729).(Anm. 3)
Der Vergleich zeigt eine große Übereinstimmung; als wesentlicher Unterschied ist die etwas kräftigere Mähne anzumerken, die in dieser Form bei dem Vorbild nicht vorhanden ist. Davon abgesehen wurde lediglich der etwas starre Haarschopf zwischen den Ohren durch eine Stirnlocke ersetzt.
Die Datierung der Serie ist in der Forschung umstritten, da aus der Beschriftung ohne Adresse des Verlegers nicht eindeutig hervorgeht, ob Pierre I. Mariette (ca. 1603–1657) oder aber dessen Sohn Pierre II. (1634–1716) gemeint ist.(Anm. 4) Jombert brachte die Radierugnen mit der Folge „I PRINCIPII DEL DISEGNO“ in Verbindung. Vesme/Massar plädierte für eine Datierung auf 1641 oder sogar etwas früher.(Anm. 5) Viatte sah dagegen einen Zusammenhang mit der späten Jagdfolge der 1650er Jahre.
Für eine Frühdatierung spricht zum einen der Antikenbezug, der della Bella vor allem während seines ersten römischen Aufenthaltes beschäftigt hat; zum anderen deutet auch die Sorgfalt der Vorbereitung auf eine frühe Ansetzung, da für sein späteres Werk derart penible Vorzeichnungen sehr untypisch sind.
Diese besondere Sorgfalt ist im Übrigen wohl damit zu erklären, dass della Bella versuchte, sich mit einer hervorragend ausgeführten Serie der damals besonders populären Tierdarstellungen auf dem Kunstmarkt zu etablieren. Die Vorlage des „Marc Aurel“ blieb bislang unerkannt, ein Beleg dafür, wie naturalistisch der Künstler von ihm übernommene Motive anverwandeln konnte.
Sieht man den Pferdekopf im Zusammenhang der anderen Tierdarstellungen der Serie, dann fällt auf, dass auch der Löwenkopf stark antikisierend wirkt. Möglicherweise hat der Künstler auch für diese Darstellung auf eine Vorlage aus antiker römischer Zeit zurückgegriffen (vgl. Inv.-Nr.1967-237).
Della Bella hat das Motiv des Pferdekopfes der Reiterstatue des Marc Aurel auch noch in der kleinen Serie „Têtes de differents animaux: deux pièces“ verwendet (de Vesme/Massar 730).(Anm. 6) Dabei erscheint der Pferdekopf seitengleich zur Hamburger Zeichnung mit einer ähnlichen Mähne im oberen Kopfbereich. Da das Zaumzeug reduziert wurde, ist die Vorlage weniger deutlich erkennbar.

David Klemm

1 Zur Rezeption des Marc Aurel vgl. Norberto Gramaccini: Die Umwertung der Antike – Zur Rezeption des Marc Aurel in Mittelalter und Renaissance, in: Natur und Antike in der Renaissance, Ausst.-Kat. Frankfurt a. M., Liebieghaus, Frankfurt a. M. 1986, S. 51-83.
2 Eine Gesamtansicht des Pferdes von hinten zeigt Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 336-1; vgl. Dessins de Stefano della Bella 1610-1664. Musée du Louvre, Cabinet des dessins. Inventaire général des dessins italiens. Bd. 2., bearb. v. Françoise Viatte, Paris 1974, S. 191, Nr. 299; in den Uffizien befinden sich eine weitere Ansicht von hinten (Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 14808 F), eine im Profil (Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 14809 F) sowie eine Ansicht des Kapitols mit der Statue (Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 278 P).
3 Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, New York 1971, I, Nr. 726–729.
4 Vgl. Stefano della Bella. Ein Meister der Barockradierung, mit Beiträgen von Jessica Mack-Andrick, Dorit Schäfer, Angela Vollmer, Ausst.-Kat. Kunsthalle Karlsruhe 2005, S. 149.
5 Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, New York 1971, I, S. 113.
6 Wie Anm. 3, Nr. 730.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun über Spuren von Graphit 105mm x 76mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-235 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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