Stefano della Bella

Jakobs Zug nach Ägypten; verschiedene Tierstudien

Wiederholt hat sich della Bella mit der Darstellung des gemeinsamen Zuges von Menschen und Tieren beschäftigt. Innerhalb dieser Gruppe ist das vorliegende Blatt aufgrund der auf beiden Seiten erkennbaren diesbezüglichen Motive von besonderem Interesse.
Dass es sich auf dem Recto nicht nur um die Darstellung einer Viehherde mit Hirten handelt, kann aufgrund des am rechten Rand skizzierten Kamels vermutet werden. Diese Tiere gehören nicht zum Viehbestand italienischer Hirten, sondern lassen sich überzeugender mit der im 1. Buch Mose 46, 3–6 überlieferten Geschichte von Jakobs Reise nach Ägypten verbinden. Laut der biblischen Überlieferung hatte der Pharao Wagen für den Transport gesandt, was in der bildlichen Umsetzung des Themas jedoch selten berücksichtigt wurde. Zumeist wird nur ein mehr oder weniger langer Zug von Menschen und Tieren dargestellt. Della Bella wählte als Darstellungsmoment den Abstieg der Gruppe von einer Anhöhe, was aufgrund der Verkürzungen zeichentechnisch anspruchsvoll ist. Vielleicht weisen die Figuren deshalb für den Künstler ungewöhnlich viele Kreideunterzeichnungen auf. Den besonderen Charakter des Blattes machen die Darstellungen der verschiedenen Tiere aus, bei denen della Bella auf seine jahrelangen intensiven Naturstudien zurückgreifen konnte.(Anm. 1)
Della Bella fertigte verschiedene Radierungen mit diesem Thema an. Eindeutig auf Jakobs Reise bezogen ist eine wohl um 1645 anzusetzende Radierung (de Vesme/Massar 2), bei der die Hauptgruppe weitgehend parallel zum Blattrand angeordnet ist.(Anm. 2) Im Gegensatz dazu hat della Bella bei dem Hamburger Blatt mehr tiefenräumliche Spannung erzielt. Ansonsten sind die Figuren vergleichbar. Es fällt auf, dass Jakob auf dem Hamburger Blatt nicht eindeutig erkennbar ist.

David Klemm

1 Vgl. hierzu auch Ausst.-Kat. Karlsruhe 2005, S. 66 (Beitrag Dorit Schäfer).
2 Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, New York 1971, I, Nr. 2.

verso:
3 Jakobs Zug nach Ägypten (?); Figurenskizze mit Tempelfront und Obelisk (um 180° gedreht)


Das Verso von Inv.-Nr. 1967-207 ist dem biblischen Themenkreis um „Jakobs Zug nach Ägypten“ weniger eindeutig als das Recto (Inv.-Nr. 1967-207) zuzuordnen, da auf dieser in ein Oval eingepassten Studie die exotischen Tiere fehlen. Dennoch ruft der Blick in die weite Ebene die Vorstellung des „gelobten Landes“ hervor. Der Zeigegestus der Frau auf der Anhöhe könnte dahingehend gedeutet werden, dass sie die Richtung des Weges angibt oder sogar auf das fast erreichte Ziel deutet.
Die um 180° gedrehte, zweite Szene auf dem Verso, die wohl als erste gezeichnet wurde, ist schwer einzuordnen. Erkennbar ist eine antike Ruinenlandschaft, in deren Vordergrund offensichtlich ein kleiner Zug von Menschen unterwegs ist. Am ehesten vergleichbar erscheinen zwei Szenen in Paris, auf denen ein locker skizzierter antiker Rundtempel erscheint (Anm. 1); allerdings ist dort ein Bezug zur Bibel aufgrund der deutlicher herausgearbeiteten Gruppe von Menschen und Tieren eher herzustellen.

David Klemm

1 Paris, Musée du Louvre, Département des Art Graphiques, Inv.-Nrn. 344-3; 352-1; vgl. Viatte 1974, S. 100, Nr. 142; S. 234, Nr. 487.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, Graphit, schwarzer Stift 171mm x 261mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-207 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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