Stefano della Bella

Die Ponte alla Badia bei Florenz

Die subtil gezeichnete Landschaftsstudie erscheint auf den ersten Blick aufgrund der Verwendung von Rötel untypisch für della Bella. Für eine derart versierte Handhabung dieses Materials lassen sich jedoch verschiedene Beispiele im Hamburger Bestand ausmachen (vgl. Einleitung S. 4). Charakteristisch für della Bella sind darüber hinaus die gekonnte Komposition und die Fähigkeit, der Szenerie weit über die reine Dokumentation hinaus Atmosphäre zu verleihen.
Marco Chiarini wies darauf hin, dass es sich bei der dargestellten Topographie mit großer Sicherheit um die ehemals nördlich von Florenz gelegene Ponte alla Badia handelt.(Anm. 1) Die Brücke überspannte den Mugnone und verband Jahrhunderte hindurch Fiesole mit Florenz und seinen Vororten; über sie führte die alte Via Faentina von Florenz nach Faenza. Diese Brücke ist durch ihre an einen Eselsrücken erinnernde Krümmung unverwechselbar.
Kurz nach 1600 wurde sie auch von Filippo Napoletano dargestellt.(Anm. 2) Allerdings weisen die beiden Zeichnungen außer der Brücke keine übereinstimmenden landschaftlichen Elemente bzw. Häuser auf. Im Gegensatz zu Napoletanos Darstellung, bei der Laubbäume dominieren, erinnert della Bellas Dokumentation mit den Hügeln im Hintergrund und der hoch gewachsenen Zypresse stärker an die Landschaft um Fiesole.
Die Studie bietet eine weitere Facette in der erstaunlich vielfältigen Kunst des Landschaftszeichners della Bella, von dem Aufnahmen in nahezu allen Techniken nachweisbar sind. Da della Bella vornehmlich in seinen jungen Jahren und vor dem Frankreichaufenthalt mit Rötel zeichnete, erscheint eine Datierung des Blattes in die 1630er Jahre sinnvoll.
Die Zeichnung diente della Bella wohl vor allem dazu, einen bekannten Punkt in der Umgebung seiner Geburtsstadt zu dokumentieren. Darüber hinaus verwendete der Künstler das Motiv der so einprägsam geformten Brücke auf einer Radierung (de Vesme/Massar 173) der in Paris erschienenen Serie „VARIE FIGVRE“ (de Vesme/Massar 173–180).(Anm. 3)
Von besonderem Interesse ist ein Vergleich mit der mehr als einhundert Jahre später entstandenen Ansicht der Brücke in Giuseppe Zocchis 1744 erstmals erschienenen Folge „Vedute delle Ville e d’altri luoghi della Toscana“.(Anm. 4) Zocchi wählte nahezu den gleichen Standpunkt, so dass die relativ geringen Veränderungen im Laufe von gut einhundert Jahren ablesbar sind. Vor allem die Bebauung im rechten Bereich wurde erneuert, wohingegen der linke Abschnitt, abgesehen von einer Befestigung des Wegs zum Fluss hin, nahezu gleich erscheint. Es fällt auf, dass sowohl della Bella als auch Napoletano den Brückenbogen im oberen Scheitelpunkt deutlich dicker als Zocchi gezeichnet haben.
Als frühes Dokument dieses wichtigen Monuments kommt della Bellas Zeichnung zusätzliche Bedeutung zu. Die Ponte alla Badia wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und durch eine architektonisch anspruchslose Rundbogenbrücke mit dicken unteren Widerlagern aus Beton ersetzt.

David Klemm

1 Mündliche Mitteilung, 26. 3. 2008.
2 Marco Chiarini: Teodoro Filippo di Liagno detto Filippo Napoletano 1589-1626. Vita e opere, Florenz 2007, S. 381.
3 Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, New York 1971, Bd. 1, Nr. 173–180.
4 Vgl. Giuseppe Zocchi, Veduten der Villen und anderer Orte der Toscana 1744, bearb. v. Richard Harprath, Ausst.-Kat. München, Staatliche Graphische Sammlung, München 1988, S. 100–101, Nr. 40, mit Abb. Dem Katalog sind die hier erwähnten Angaben zur Brücke entnommen.

Details zu diesem Werk

Rötel 96mm x 128mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-124 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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