Stefano della Bella

Der Tod reisst einen jungen, nackten Mann fort

Die Zeichnung zeigt den dramatischen Kampf zwischen einem jungen Mann und der Verkörperung des Todes. Diese skeletthafte Gestalt hat ihn bereits umklammert und versucht mit aller Kraft, ihn in sein Reich zu ziehen.
Della Bella entwickelte die Komposition zunächst mit dem Kreidestift in sehr lockeren Zügen. Dabei ist erkennbar, dass er Varianten – z. B. vom Kopf des Todes – ausprobiert. Danach formulierte er die Gruppe mit der Feder genauer aus. Diese Arbeit blieb aber unvollendet, lediglich die Oberkörper der beiden miteinander ringenden Figuren sind ansatzweise durchgezeichnet.
Trotz dieser Skizzenhaftigkeit sind della Bellas gestalterische Intentionen bereits klar erkennbar: Vor allem der Kampf um Leben und Tod ist beeindruckend visualisiert; von besonderem Reiz ist die spürbare Gegensätzlichkeit von knochigem Skelett und weichem Fleisch.
Die bestimmenden Materialien sind Feder und Kreide, auf Lavierung verzichtete della Bella bei dem Blatt generell. Damit unterscheidet sich die Zeichnung deutlich von den anderen Hamburger Blättern mit Todesdarstellungen (vgl. Inv.-Nrn. 1967-111, -113, -114). Zudem ist die Linienführung im Vergleich zu diesen Blättern ruhiger angelegt.
Technisch und stilistisch vergleichbar erscheint ein Blatt in Oxford, das als Vorzeichnung für de Vesme/Massar 88 angesehen werden kann.(Anm. 1) Vor diesem Hintergrund ist eine Entstehung des Hamburger Blattes in der späten Pariser Zeit denkbar.
In diesen Entwurfskreis gehört auch ein Blatt in der Biblioteca Marucelliana in Florenz.(Anm. 2) Dort umfasst die Figur des Todes einen Menschen und versucht, ihn zu Boden zu drücken. Beide Figuren sind skizzenhaft angelegt, wobei der Tod, vor allem seine knöchernen Beine, konkreter ausgeführt ist. Die Komposition des Hamburger Blattes hat della Bella in den 1650er Jahren nochmals aufgegriffen. Eine seitenverkehrte Zeichnung in Rom stellt ebenfalls ein Skelett dar, das mit größter Kraft versucht, einen Mann aus dem Leben zu reißen. Dieser ist im Gegensatz zur Hamburger Lösung allerdings stärker dem Betrachter zugewandt. Eine Radierung mit dieser Komposition ist nicht bekannt. Die Figur des Todes ähnelt in der Haltung und im Ausdruck der Figur des Todes auf de Vesme/Massar 91.(Anm. 3)
Mit der Darstellung des Kampfes zwischen Mensch und Tod griff della Bella eine lange Tradition auf. Dieses Thema fand seit dem Mittelalter in der abendländischen Kunst, etwa in den großformatigen so genannten Totentänzen, seinen Niederschlag. Der bei della Bella so stark betonte Kampf findet sich besonders eindrucksvoll in Hans Holbeins Folgen „Das Totentanz-Alphabet“ und der „Große Totentanz“.(Anm. 4)

David Klemm

1 Karl Theodor Parker: Catalogue of the Collection of Drawings in the Ashomolean Museum, Bd. II, Italian Schools, Oxford 1956, S. 416–417, Nr. 790, Taf. CLXXIV.
2 Florenz, Biblioteca Marucelliana, Inv.-Nr. Vol. D Nr. 25.
3 Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, New York 1971, I, Nr. 91.
4 Vgl. Hans Holbein d. J. Die Jahre in Basel 1515-1532. Mit Beiträgen von Christian Müller, Stephan Kemperdick u. a, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, München, Berlin, London, New York 2006, S. 473–477.



verso:
1 Vertreibung aus dem Paradies; Fragmente von Handstudien
(technische Angaben siehe Kat.-Nr. 204 Verso)

Die Zeichnung zeigt als Hauptmotiv eine feine Federstudie der „Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies“. Della Bella hat das Entsetzen und die Scham des ersten Menschenpaares eindrucksvoll herausgearbeitet. Die starken Pentimenti im Bereich der Beine von Adam lassen den Schluss zu, dass della Bella hier eine eigene Komposition entwickelte. Eine Umsetzung als Radierung ist nicht bekannt. Eine della Bella zugeschriebene Pietra paesina-Arbeit mit der Darstellung der „Vertreibung aus dem Paradies“ unterscheidet sich formal deutlich.1
Das Blatt weist zudem drei Handstudien auf, die im Zusammenhang mit della Bellas „Recueil de divers griffonements et preuves d’eau-forte (…)“ oder für die „Principii del Disegno“ entstanden sein könnten.2 Eine genau entsprechende Radierung lässt sich jedoch nicht nachweisen.

1 Ehem. Sesto Fiorentino, Villa di Colonnata; vgl. Bellesi 1998, S. 23, Abb. 14. Angesichts der Qualität des Hamburger Entwurfs ist zu fragen, ob die künstlerisch schwache Komposition der Einlegearbeit von della Bella stammt.
2 Vgl. z. B. de Vesme/Massar 1971, I, S. 94, Nr. 367, 368.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, schwarzer Stift 127mm x 130mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1967-112 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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