Stefano della Bella (Nachahmer)

Zwei Segelschiffe in stürmischer See, nach 1646

Die Zeichnung gelangte unter der Zuschreibung an Stefano della Bella in die Sammlung. Diese Attribution ist auf den ersten Blick einleuchtend, da von dem Künstler eine Reihe von radierten Seestücken nachweisbar ist. Della Bella war bereits in der Frühzeit seiner Laufbahn mit derartigen Themen vertraut, hatten doch in seiner Heimatstadt Florenz Künstler wie Remigio Cantagallina, Filippo Napoletano und Ercole Bazzicaluva das Thema der Küstendarstellungen etabliert.(Anm. 1) Eine besondere Beziehung della Bellas zum Wasser bildete sich offensichtlich Mitte der 1640er Jahre auf seiner Reise nach Holland. Damals hatte er die Möglichkeit, sich intensiv mit den Widrigkeiten der Nordsee wie auch mit dem in Holland besonders gepflegten Genre der nordeuropäischen Seestücke auseinanderzusetzen. Von der Eindrücklichkeit jener Erfahrungen zeugen mehrere um 1646/47 entstandene Graphiken.
Ein Vergleich der Hamburger Zeichnung mit diesen Graphiken zeigt, dass die Komposition in keiner Radierung überliefert ist. Dafür existieren interessanterweise mindestens drei Graphiken auf denen einzelne Elemente der Hamburger Komposition wiederkehren. So findet sich das linke Schiff mit großer Ähnlichkeit und seitengleich auf der Radierung „Aqua“ aus der Serie „Die vier Elemente“.(Anm. 2) Das rechte Schiff ist – ebenfalls seitengleich und in ähnlicher Form – auf der Darstellung der Durchquerung des Ärmelkanals aus der Serie „Paisages Maritimes“ abgebildet.(Anm. 3) Letztlich findet sich der von links in das Bild hineinragende bewachsene Felsen auf der Radierung „Seehafen mit Arbeitern und Galeeren“ aus der Serie „Seestücke“.(Anm. 4)
Aufgrund der eindeutig versatzstückhaften Komposition des Hamburger Blattes muss an der Autorschaft della Bellas ernsthaft gezweifelt werden. Vielmehr ist hier wohl ein anonymer Nachahmer anzunehmen, der – nicht ohne Geschick – verschiedene Details des Vorbilds zu einer effektvollen neuen Komposition verschmolzen hat.
Zweifel an der Autorschaft della Bellas ruft auch der Zeichenstil hervor. Im reichen und sehr variationsreichen Hamburger Bestand von nahezu dreihundert Zeichnungen gibt es kein einziges Beispiel für eine derart bildhaft angelegte Komposition; zudem ist der sehr kleinteilige Zeichenstil für della Bella ungewöhnlich. Die für diesen Künstler nachweisbaren gezeichneten Sturmszenen sind von größerer Lebendigkeit. So wird auf einem Blatt des Hamburger Klebebandes eine viel breitere Feder für die Wiedergabe der wogenden Wellen eingesetzt.(Anm. 5) Die Ausdruckskraft einer Sturmszene in Rom wurde mit kraftvoller Lavierung gesteigert.(Anm. 6)

David Klemm

1 Vgl. hierzu Stefano della Bella. Ein Meister der Barockradierung, Ausst.-Kat. Karlsruhe, Kunsthalle, Karlsruhe 2005, S. 128–131.
2 Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, bearb. v. Alexandre de Vesme, with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar. 2 Bde., New York 1971, I, S. 117, Nr. 754.
3 Ebd., S. 122, Nr. 797.
4 Ebd., S. 121, Nr. 788.
5 Inv.-Nr. 1967-287.
6 Rom, Istituto per la Grafica, Gabinetto Nazionale delle Stampe, Inv.-Nr. FC 126073; vgl. Disegni di Stefano della Bella 1610-1664 dalle collezioni del Gabinetto Nazionale delle Stampe, bearb. v. Maria Catelli Isola, Ausst.-Kat. Rom, Palazzo della Farnesina, Rom 1976, S. 36, Nr. 79.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun auf Pergament 76mm x 185mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1963-428 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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