Anonym (flämisch, 17. Jh.), Zeichner
Hendrick Avercamp, ehemals zugeschrieben, Zeichner

Meeresküste mit Figuren am Strand

Bereits im Katalog der Auktion Kollmann (1877) blieb die alte Zuordnung an Hendrick van Avercamp nicht unbezweifelt, und dies sicher zu Recht.(Anm.1) Viel eher deuten die ausgeprägt fließenden Figurenkonturen auf flämischen Hintergrund. Auch kompositorische Merkmale wie die größtenteils unbearbeitet gelassene Fläche lassen sich mit Zeichnungen aus Umkreis und Nachfolge Jan Bruegels (I) in Verbindung bringen. Die weich verschliffenen Umrisslinien erinnern an Inv.-Nr. 1963-434.(Anm.2) Gleichzeitig deuten der etwas zaghafte Strich und die ungelenk agierenden Figuren auf die Hand eines Nachahmers oder Kopisten. Diesen mit Avercamp zu identifizieren, der sich tatsächlich in seinem Frühwerk von flämischen Künstlern beeinflussen ließ, ist aus stilistischen Gründen unwahrscheinlich: Schon auf seinen frühen Zeichnungen sind die Figuren deutlich kompakter proportioniert und fester umrissen, das Gelände sorgfältiger und kleinteiliger strukturiert.(Anm.3)

Annemarie Stefes

1 Es bestehen lediglich gewisse Berührungspunkte in der Gestaltung des Hintergrundes mit einer 1624 datierten Federzeichnung in Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1940-586, und in der duftigen Aquarellierung oder den kurzen Parallelschraffen finden sich Anklänge an frühe Werke wie eine ebenfalls in Amsterdam verwahrte „Landschaft mit Windmühlen“, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1887-A-1242; vgl. Marijn Schapelhouman, Peter Schatborn: Dutch Drawings of the Seventeenth Century in the Rijksmuseum Amsterdam. Artists born between 1580 and 1600, London 1998, Nr. 11 und 4.
2 Vgl. „Strand mit Segelbooten bei Sturm“, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 724, Pieter Bruegel als Zeichner, Ausst.-Kat. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Berlin 1975, Nr. 124; „Skizzenblatt mit bäuerlichen Typen“, Chatsworth, Devonshire Collection, Inv.-Nr. 676, ebd. Nr. 121. Für die knapp markierten Schiffe und Gebäude im Hintergrund vgl. Bruegels „Tiberlandschaft“ in Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, Inv.-Nr. AE 397, Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der flämischen Malerei, Ausst.-Kat. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Wien, Kunsthistorisches Museum, 1992/93, Nr. 125.1.
3 Vgl. die unter Anm. 1 zitierten Beispiele; vgl. auch eine um 1609 entstandene Zeichnung in Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 4953, Dessins de paysagistes hollandais du XVIIe siècle de la collection particulière condervée à l’Institut Néerlandais de Paris, bearb. von Carlos van Hasselt, 2 Bde., Ausst.-Kat. Brüssel, Bibliothèque Albert I.er, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Paris, Institut Néerlandais, Bern, Kunstmuseum, Ledeberg/Gent 1968, Nr. 2, hierzu Hautekeete, in: Holland in Linien. Niederländische Meisterzeichnungen des Goldenen Zeitalters aus den Königlich-Belgischen Kunstmuseen Brüssel, Ausst.-Kat. Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, Amsterdam, Museum het Rembrandthuis, Aachen, Suermondt-Ludwig Museum, Zwijndrecht 2007, S. 64. Zu Avercamps flämischer Prägung vgl. Clara J. Welcker: Hendrick Averkamp bijgenaamd de 'Stomme van Campen' en Barent Avercamp, Schilders tot Campen, Zwolle 1933, S. 76.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun, grau und rot laviert auf ehemals weißem Papier; Einfassungslinien (Feder in Braun) 173mm x 224mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1963-420 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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