Jacob de Wit, Zeichner
nach Godfried Maes, Kopie, Zeichner

Die Hochzeit von Tereus und Procne, vor 1732

Wie Janno van Tatenhove erstmals 1985 nachweisen konnte, handelt es sich um einen Illustrationsentwurf De Wits zu Bernard Picarts Metamorphosen-Ausgabe aus dem Jahre 1732; für die graphische Umsetzung des Blattes sorgte Philipp van Gunst (tätig 1685–1732).(Anm.1)
Dargestellt ist die Hochzeit des Thrakerfürsten Tereus mit der Prinzessin Prokne aus Athen. Nur auf den ersten Blick wirkt die Szene festlich. Im Hintergrund finden sich düstere Anspielungen auf das tragische Ende dieser Verbindung, in Einklang mit der literarischen Vorlage: Furien richten das Brautbett, und ein „verrufener Uhu“ sitzt auf dem „Giebel der bräutlichen Kammer“. Später würde Tereus Proknes Schwester Philomela schänden, was die Rache der Schwestern durch den Mord an Tereus’ Sohn Itys nach sich ziehen sollte. Am Ende der Geschichte steht die Verwandlung Proknes in eine Nachtigall, während Philomela in eine Schwalbe und Tereus in einen Wiedehopf umgestaltet wird.(Anm.2)
Die Zeichnung beruht nicht auf eigener Erfindung, sondern geht zurück auf eine heute nicht mehr bekannte Vorlage des Godfried Maes, wie der eigenhändigen Beischrift zu entnehmen ist. Maes schuf insgesamt 83 Ovid-Illustrationen, von denen heute etwa 53 Blätter identifiziert werden konnten.(Anm.3) Diese Zeichnungen ließen sich in De Wits Nachlassauktion 1755 nachweisen, und Van Tatenhove vermutete, dass der Künstler sie während seines Aufenthaltes in Antwerpen erworben hatte.(Anm.4) Sie dienten seinen insgesamt 27 Zeichnungen zu Picarts Metamorphosen als unmittelbare Anregung.(Anm.5) Einige dieser Entwürfe mit korrespondieren Zeichnungen Maes’ konnten von Van Tatenhove identifiziert werden.(Anm.6)
Offensichtlich kopierte De Wit nur die Maes-Zeichnungen, die er reproduzieren lassen wollte. Dies diente wahrscheinlich dem Schutz der kostbaren Blätter vor Beschädigungen im weiteren Umsetzungsprozess.(Anm.7) Aus diesem Grund wäre ein zeitlicher Ansatz in unmittelbarer Nähe zu den 1732 publizierten „Metamorphosen“ plausibel, wie von Van Tatenhove vorgeschlagen wurde.(Anm.8)

Annemarie Stefes

1 P. Ovidius Naso: De gedaant-wisselingen, Amsterdam 1732, S. 197, vgl. Janno van Tatenhove: Tekeningen door Jacob de Wit voor de Ovidius van Picart, in: Leids Kunsthistorisch Jaarboek 4, 1985, S. 211-234. Zuvor galt die Zeichnung, trotz ihrer Signatur, als Werk des Arnold Houbraken, vgl. Wolf Stubbe: Die Sammlung von der Hellen, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 8, Hamburg 1963, S. 153-180.
2 Ovid, Metamorphosen 6, 426–438 bzw. 430–432.
3 Janno van Tatenhove: Tekeningen door Jacob de Wit voor de Ovidius van Picart, in: Leids Kunsthistorisch Jaarboek 4, 1985, S. 211-234, S. 221–222. Zum letzten Mal in seinem wohl ursprünglichen Umfang von 83 Blatt wurde dieses Konvolut auf der Auktion der Sammlung Cronenburgh versteigert, Amsterdam, 22. 3. 1762 (Lugt Ventes 1203), Album A, Nr. 1, vgl. ebd. S. 232, Anm. 38.
4 Aukt.-Kat. Amsterdam, De Wit 1755, Album U, S. 87, Nr. 869: „Waarin de Herscheppingen van Ovidius, in Drieëntagtig uitvoerige Teekeningen, door G. Maes“; vgl. Janno van Tatenhove: Tekeningen door Jacob de Wit voor de Ovidius van Picart, in: Leids Kunsthistorisch Jaarboek 4, 1985, S. 211-234, S. 220, 222 und 229. Van Tatenhove 1985, S. 229 ging davon aus, dass die Zeichnungen De Wit bereits vor 1717 zur Verfügung standen. Robert-Jan te Rijdt glaubte angesichts des überlieferten hohen Preises von 800 Gulden allerdings, dass nicht Jacob de Wit, sondern sein Onkel, der Kunsthändler Jacomo de Wit, die Maes-Zeichnungen zunächst erwarb, seinem Neffen zur Verfügung stellte und später vererbte (freundliche Mitteilung, 12. 11. 2009).
5 Nur auf fünf Illustrationen dieser Ovid-Ausgabe wird De Wit als Zeichner genannt; dennoch gelang es Van Tatenhove, die 27 Entwürfe De Wits für den „Picart-Ovid“ zu rekonstruieren, vgl. Janno van Tatenhove: Tekeningen door Jacob de Wit voor de Ovidius van Picart, in: Leids Kunsthistorisch Jaarboek 4, 1985, S. 211-234, S. 225-228.
6 Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. JdW 27 und Inv.-Nr. JdW 9; Leiden, Prentenkabinet der Universiteit, Inv.-Nr. AW 1303; Haarlem, Teylers Museum, Inv.-Nr. T 44; Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 10647 und Inv.-Nr. 10646; Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1995-24; 1967 Kunsthandel Herbert Feist, New York, vgl. Janno van Tatenhove: Tekeningen door Jacob de Wit voor de Ovidius van Picart, in: Leids Kunsthistorisch Jaarboek 4, 1985, S. 211-234, S. 223–224.
7 Janno van Tatenhove: Tekeningen door Jacob de Wit voor de Ovidius van Picart, in: Leids Kunsthistorisch Jaarboek 4, 1985, S. 211-234, S. 228.
8 Ebd.

Details zu diesem Werk

Feder und Pinsel in Grau auf gelblichem Papier; Griffelspuren; Einfassungslinien (Feder in Schwarz) 177mm x 232mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1963-406 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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