Jan Luyken

Das Gleichnis vom Sämann, um 1702

Mit dem Vermächtnis von der Hellen erhielt das Hamburger Kupferstichkabinett 1962 vier Blätter des Jan Luyken, der bis dato in der Hamburger Sammlung als Zeichner nicht vertreten war. Drei dieser Zeichnungen dienten als Illustrationsentwürfe zu der sogenannten „Kleinen Bibel“ des Amsterdamer Verlegers Pieter Mortier, die in zwei Teilen publiziert wurde: 1702 erschien das Neue Testament, 1703 Jahr wurde das Alte Testament veröffentlicht.(Anm.1)
Luyken gilt als der produktivste Bibelillustrator seiner Zeit und erwies sich darüber hinaus als vielseitiger Gestalter von Alltagsszenen, Geschichtsdarstellungen, geistlichen Erbauungsbüchern und naturgeschichtlichen Themen.(Anm.2) Zentrales Anliegen des pietistisch geprägten Künstlers war indes die biblische Darstellung. Luykens Neigung zu Massenszenen zeigt sich hier am Beispiel von Inv.-Nr. 1963-287: Die Arche, die der gottesfürchtige Noah nach biblischem Bericht auf Geheiß des Herrn selbst baute,(Anm.3) wird als Werk einer großen Menge von Arbeitern präsentiert, wobei Noah als Baumeister das Geschehen aus erhöhtem Standort überwacht und die Umsetzung der Pläne mit seinen Söhnen Sem, Ham und Jafet bespricht. Diese ungewöhnliche Auffassung gab bisweilen Anlass zu Fehlinterpretationen.(Anm.4)
Für Jakobs Kampf mit dem Engel (Inv.-Nr. 1963-291) (Anm.5) folgte der Künstler dem konventionellen Erzählmodus, orientierte sich jedoch sehr genau am biblischen Bericht, wenn er im Hintergrund die Sonne aufgehen ließ, denn Jakobs Ringen währte bis zum Anbruch der Morgenröte (Vs. 25). Auf Inv.-Nr. 1963-290 ist ein Gleichnis Jesu aus dem Neuen Testament dargestellt: Wie der Sämann die Saat ausstreut und sie entsprechend der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit wurzelt, von Vögeln gefressen oder von Dornen erstickt wird, so fällt auch das Wort Gottes auf unterschiedlichen Grund: Bei einigen Menschen bringt es viel Frucht, bei anderen wird das Gehörte nicht verstanden oder von den Sorgen des Alltags übertönt.(Anm.6)
Diese drei Illustrationsentwürfe sind auf die für Luyken charakteristische Art und Weise gezeichnet: Mit großzügigem, locker verschlungenem Strich wurden die wesentlichen Bildelemente flüchtig skizziert. Breitflächige Pinselstriche verleihen den Figuren Volumen und bringen durch starke Schattenakzente Klarheit in das Liniengewirr. Da Luyken selbst für die graphische Umsetzung seiner Entwürfe sorgte, bestand keine Notwendigkeit für die genaue Angabe von Details, ebensowenig wie für technische Hilfsmittel zur Übertragung der Zeichnung. Einzelne Elemente der Zeichnungen lassen sich nur in Gegenüberstellung mit den entsprechenden Stichen eindeutig bestimmen: Dies sind etwa die am Wegesrand pickenden Vögel und der pflügende Ackermann im Hintergrund von Inv.-Nr. 1963-290 oder der am anderen Ufer des Jabok wartende Familientross auf Inv.-Nr. 1963-291.
Ein großes Konvolut weiterer Entwurfszeichnungen zu der Bibel von 1703 befindet sich in Amsterdam.(Anm.7)

1 „Historie des Ouden en Nieuwen Testaments“, Amsterdam 1702 und 1703, enthaltend 151 radierte Illustriationen des Jan Luyken, vgl. P. van Eeghen, J. Ph. van der Kellen: Jan en Caspar Luyken, Bd. 2, Amsterdam 1905, Bd. 2, Nr. 384.
2 Vgl. Im Lichte Rembrandts. Das Alte Testament im Goldenen Zeitalter der niederländischen Kunst, hrsg. v. Christian Tümpel Ausst.-Kat. Münster, Westfälisches Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Amsterdam, Joods Historisch Museum, Jerusalem, Israel Museum, München ,1994, S. 335.
3 Vgl. 1. Mose 6, 14–22. Die Bestimmung der dargestellten Szene wird bestätigt durch die Inschrift der gegenseitig ausgerichteten Radierung: „Gen: VI v.s 14…22“; vgl. P. van Eeghen, J. Ph. van der Kellen: Jan en Caspar Luyken, Bd. 2, Amsterdam 1905, Bd. 2, S. 548, Stich Nr. 2971.
4 In Detroit (Mich.), The Detroit Institute of Arts, Inv.-Nr. 1934.98, befindet sich eine in Motiv, Maßen und Ausrichtung mit der Radierung übereinstimmende Zeichnung, bei der es sich um eine Kopie oder eigenhändige Nachzeichnung handelt; diese wurde von Anne-Marie Logan: Dutch and Flemish Drawings and Watercolours. The Detroit Institute of Arts, New York 1988, Nr. 11 unter dem Titel „Ptolemäus gibt Anweisungen für die Errichtung eines Gebäudes in Alexandria“ publiziert und von Jan Kosten (RKD, 2007) mit dem Tempelbau Salomos gleichgesetzt (1. Könige 6,1–38).
5 1. Mose 32, 25–31, vgl. P. van Eeghen, J. Ph. van der Kellen: Jan en Caspar Luyken, Bd. 2, Amsterdam 1905, Bd. 2, S. 548, Stich Nr. 2985 (im Gegensinn).
6 Matt. 13, 3–8 und 18–23; vgl. P. van Eeghen, J. Ph. van der Kellen: Jan en Caspar Luyken, Bd. 2, Amsterdam 1905, Bd. 2, S. 552, Stich Nr. 3049 (im Gegensinn).
7 Amsterdams Historisch Museum, vgl. P. van Eeghen, J. Ph. van der Kellen: Jan en Caspar Luyken, Bd. 2, Amsterdam 1905, Bd. 2, S. 823–824; weitere Zeichnungen befinden sich in Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, z. B. Inv.-Nr. JL 4, Inv.-Nr. JL 6, Inv.-Nr. JL 7, Corpus Gernsheim 36582, 36584, 36579.
s. Inv.-Nr. 1963-287

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, Pinsel in Grau; Einfassungslinien (Feder in Braun) 101mm x 148mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1963-290 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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