Anonym (italienisch, 16. Jh.)

Bacchanal

Die Darstellung eines bacchantischen Treibens wurde vermutlich wegen der alten Beschriftung längere Zeit mit Andrea Mantegna in Verbindung gebracht. Diese Zuweisung lässt sich nur aufgrund der oberflächlichen Ähnlichkeit mit dessen berühmtem Kupferstich eines Bacchanals erklären.(Anm. 1) Eine stilistische Zuweisung an den Künstler steht fern jeder Diskussion. Die auf das Wesentliche beschränkte Strichführung lässt sich um 1500 im bolognesischen Kunstkreis ausmachen.(Anm. 2) Zeichnungen dieser Art sind vor allem für Amico Aspertini, so im Codex Wolfegg, und auch als Einzelblätter, dokumentiert.(Anm. 3) Der Zeichenstil auf dem Hamburger Blatt wirkt aber unentschlossener als bei Aspertini. Die Durchpunktung des gesamten Blattes geschah möglicherweise, um eine graphische Vervielfältigung vorzubereiten.
Die umrisshafte Darstellung lässt sich am ehesten dadurch erklären, dass hier eine Nachzeichnung nach einer Antike vorliegt. So könnte die Szene von der Längsseite eines Sarkophagreliefs stammen. Für eine antike Herkunft spricht neben dem thematischen Aspekt, dass sich die Komposition mehrfach nachweisen lässt. So wurde sie z. B. von Biagio Pupini bis auf die Frau rechts in großer Übereinstimmung auf einer heute in Christ Church, Oxford, bewahrten Zeichnung verwendet.(Anm. 4) Der rechte Teil der Komposition fand sowohl auf einer antiken Gemme als auch in einer illuminierten Handschrift der „Cosmographia“ des Ptolemäus Verwendung.(Anm. 5)

David Klemm

1 The Illustrated Bartsch 25 (13), 19 (240).
2 Humanismus in Bologna 1490-1510, hrsg. v. Marzia Failetti, Konrad Oberhuber, Ausst.-Kat. Wien, Graphische Sammlung Albertina, Bologna, Pinacoteca Nazionale, Ausstellung der Graphischen Sammlung Albertina Wien, Bd. 327, Bologna 1988, S. 283.
3 Zu Aspertini vgl. das Verso des Hamburger Blattes Inv.-Nr. 52266; „Beweinung Christi“, Wien, Albertina, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. 34530; vgl. Veronika Birke, Janine Kertész: Die italienischen Zeichnungen der Albertina. Generalverzeichnis, Bd. IV (Inv. 14326-42255), Veröffentlichungen der Albertina Bd. 36, Wien, Köln, Weimar 1997, S. 2562.
4 Oxford Christ Church, Inv.-Nr. 0140; vgl. James Byam Shaw: Drawings by Old Masters at Christ Church Oxford, 2 Bde., Oxford 1976, I, S. 233, Nr. 872.
5 Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 8834, Seite mit Kameen des Ptolemäus. Vgl. Annarosa Garzelli: Miniatura Fiorentina del Rinascimento 1440-1525. Un Primo Censimento, hrsg. v. Annarosa Garzelli, 2 Bde., Inventari e cataloghi toscani 19, Florenz 1985, II, S. 310, Nr. 551 (ohne nähere Erläuterung der Szene).34, Seite mit mit Kameen des Ptolemäus. Vgl. Annarosa Garzelli: Miniatura Fiorentina del Rinascimento 1440-1525. Un Primo Censimento, hrsg. v. Annarosa Garzelli, 2 Bde., Inventari e cataloghi toscani 19, Florenz 1985, II, S. 310, Nr. 551 (ohne nähere Erläuterung der Szene).

Details zu diesem Werk

Feder in Schwarz, durchlöchert 248mm x 428mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1954-207 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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