Friedrich Heinrich Füger, Zeichner

Konsul Junius Brutus spricht das Todesurteil über seine beiden Söhne aus, 1788

Das Thema der Darstellung entstammt der altrömischen Geschichte und ist bei Livius sowie Plutarch überliefert: Lucius Junius Brutus, der gegen Ende des 6. vorchristlichen Jahrhunderts nach der Befreiung von der Königsherrschaft zum ersten Konsul der Republik gewählt worden war, verurteilt seine Söhne zum Tode, weil sie sich an einer Verschwörung zur Wiederherstellung der Königsherrschaft beteiligt hatten.(Anm. 1)
Der spätere Hamburger Domherr Friedrich Johann Lorenz Meyer berichtet 1790 unter dem Titel „Brutus“ über eine „grosse historische Zeichnung, die mein Bruder, [Johann Valentin Meyer], von der Hand des Direktors der K. K. Akademie zu Wien, Herrn Füger, seit einiger Zeit, in seiner Sammlung besitzt.“ Die Zeichnung im Besitz Meyers sei „eine Kopie“ nach einem „Originalgemälde des Herrn Fügers“ in einer Wiener Sammlung (Anm. 2), wozu er bereits 1783 bei Füger in Neapel einen Entwurf gesehen habe. Die Hamburger Zeichnung sei 1788 entstanden, während das Gemälde „noch früher verfertigt“ worden sei.(Anm. 3) Das vorliegende Blatt entspricht bis in die kleinsten Details der Beschreibung Meyers, weshalb kein Zweifel bestehen kann, dass Meyer das vorliegende Blatt meint, das 1951 aus dem Besitz der Familie Meyer erworben werden konnte.
Ungewöhnlich ist für diese Zeit im Werk Fügers die Verfestigung des Konturs, weshalb Schwarzenberg unter Hinweis auf die nicht eigenhändige Signatur annahm, dass Füger ein bereits existierendes Werk kopierte oder es von anderer Hand übergangen wurde. Ersteres dürfte zutreffen, denn kompositorisch lehnt sich Füger an seine 1782 entstandene „Schule von Athen“ in Caserta an. Die Kopie hat Füger möglicherweise für eine Stichreproduktion angefertigt. Wahrscheinlich nachdem das Blatt in den Besitz des Hamburgers Johann Valentin Meyer gelangt war, hat der Runge-Lehrer Gerdt Hardorff d. Ä. (1769–1864) nach Fügers Blatt eine auf die Umrisse beschränkte, im Format nahezu gleiche Kopie angefertigt(Anm. 4), die er auch gestochen hat.
Der Stoff aus der sagenhaften Frühgeschichte Roms als Beispiel republikanischer „virtus“ hat Füger wiederholt beschäftigt, so auch in einem späteren Gemälde für den Grafen Moritz von Fries (Anm. 5), in der einzelne Figurengruppen aus der Zeichnung übernommen wurden. Nach dem 1799 entstandenen Gemälde hat der Wiener Stecher Johann Peter Pichler (1765–1807) 1804 ein Schabkunstblatt angefertigt.(Anm. 6)

Peter Prange

1 Livius: Ab urbecondita, II, 3–5; Plutarch: Große Griechen und Römer, Poplicola, 6.
2 Meyer 1791, S. 71.
3 Ebd., S. 74. Der Neapler Entwurf und das Gemälde sind verschollen.
4 Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 42966.
5 Heute Staatsgalerie Stuttgart, Inv.-Nr. 3643, vgl. Schwäbischer Klassizismus. Zwischen Ideal und Wirklichkeit 1770–1830, Bd. 2, Ausst-Kat. Stuttgart 1993, S. 258, Nr. 148, Abb.
6 Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 1951–271, vgl. Nagler 11, 1841, S. 279, Nr. 74.

Details zu diesem Werk

Feder und Pinsel in Braun, Rötel, mit weißer Deckfarbe gehöht 602mm x 910mm (Bild) 661mm x 970mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1951-245 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 15.-18. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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