Friedrich Overbeck

Die Werke der Barmherzigkeit: Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeiset (Matthäus 25, 35), 1813

Friedrich Overbeck erwähnt in einem Brief vom 22. Mai 1813 an seinen Malerfreund und Mitbegründer der Lukasbrüder Ludwig Vogel einen geplanten Zyklus der "Werke der Barmherzigkeit" (Howitt 1886, Bd. 1, S. 362). Das Hamburger Blatt, das ein solches Werk der Barmherzigkeit, nämlich die "Speisung der Armen", illustriert, wurde als einziges Motiv der Folge druckgraphisch umgesetzt (Inv. Nr. 1949/162a; Radierung angeblich von Julius Ernst; vgl. Kat. Mannheim 1993, S. 71). Overbeck beschrieb die Szene in dem genannten Brief an Vogel sehr genau: "Eine fromme wohlthätige Hausfrau teilt auf der Hausflur Brod unter die Armen aus, die teils sich umhergesetzt haben, teils noch zur Thüre hereinströmen; ein geschäftiges, aufgeschürztes Mädchen bringt aus der Küche die Suppe getragen, ein rüstiger Knabe trägt die Löffel nach. Auch Hund und Katze sind nicht vergessen. Man hält es fast allgemein für eine meiner gelungensten Arbeiten" (zit. nach W. von Seidlitz: Zeichnungen deutscher Künstler von Carstens bis Menzel, München 1893, S. 28). Eine zweite, nicht vollständig durchgezeichnete Version der Hamburger Zeichnung erwarb 1831 die mit dem Künstler eng befreundete Basler Sammlerin Emilie Linder (Ausst.-Kat. Basel 1982, S. 181-182, Nr. 94).
Ein weiterer Entwurf zum Zyklus der Werke der Barmherzigkeit ist in der Kunsthalle Mannheim erhalten. Er zeigt die "Heilige Nacht". Die heutige Beischrift weist zwar allein auf diesen weihnachtlichen Zusammenhang hin, es wird jedoch ursprünglich einen Bezug zu der barmherzigen Tat der Beherbergung von Gästen gegeben haben ("Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt"; Matthäus 25, 35; vgl. Kat. Mannheim 1993, S. 71).
Die aus heutiger Sicht vielleicht etwas trocken erscheinende, an der Druckgraphik Albrecht Dürers und Lucas van Leydens orientierte handwerkliche Disziplin dieser zarten Bleistiftzeichnung erklärt sich aus der Absicht, das Motiv reproduzieren zu lassen. Der geplante, aber trotz des Interesses des Berliner Buchhändlers Georg Andreas Reimer bis auf den oben erwähnten Stich nicht ausgeführte Illustrationszyklus, den Overbeck in Rom unter dem frischen Eindruck seiner Konversion zum katholischen Glauben konzipierte, sollte zur Popularisierung der frühnazarenischen Kunst- und Bildungsideale beitragen. Overbeck äußerte sich zu seiner - 1814 von Goethe als unangemessen rückwärtsbezogen charakterisierten Kunst - sehr bestimmt und missionarisch: "(...) das ist alles was ich will, daß diese alte ächte Kunst wieder anerkannt, wieder von uns jetzigen Malern ausgeübt werde; darin bestehen alle meine revolutionären Kunstansichten" (zit. nach J. C. Jensen: Eine Mantelstudie von Friedrich Overbeck, in: Ruperto-Carola. Mitteilungen der Vereinigung der Freunde der Studentenschaft der Universität Heidelberg e.V. 28, 1960, S. 158).

Andreas Stolzenburg

Details zu diesem Werk

Bleistift 191mm x 241mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1949-162 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback
Weitere Werke von
Friedrich Overbeck