Philipp Otto Runge

Venus von Medici (Studie nach der Dresdner Replik der hellenistischen Venus von Medici), 1801

Unmittelbar nach seiner Ankunft in Dresden am 20. Juni 1801 hatte sich Runge zum Studium in die Gemäldegalerie begeben und die Erlaubnis erhalten, im Antiken- und Gipssaal zu zeichnen, wo er schon „im Arbeiten begriffen“ war (Anm. 1). Zu den Arbeiten, die dort entstanden, gehörte die Zeichnung nach einer Replik der 1638 erstmals dokumentierten hellenistischen „Venus Medici“, die in den königlichen Sammlungen in verschiedenen Repliken vorhanden war (Anm. 2). Indem Runge auf die Angabe der Arme und des Kopfes sowie des Baumstumpfes verzichtet, erreicht er eine Konzentration auf den Torso, die die plastische Präsenz der Körpers betont. Wilhelm Gottlieb Becker, der damalige Inspektor der Dresdener Antikensammlung, experimentierte damals im Zusammenhang mit seiner Antikenpublikation offensichtlich am Gipsabguß mit verschiedenen Ergänzungsvarianten, von denen Runges Zeichnung eine überliefern könnte (Anm. 3).
Waetzoldt hatte angenommen, das Blatt sei erst im Sommer 1802 entstanden (Anm. 4), doch ist es aufgrund des plastischen, den Kontur verfestigenden Einsatz der Kreide in die Nähe der Kopien nach Domenichino (vgl. Inv. Nr. 1938-130) und Raffael (vgl. Inv. Nr. 1938-78) zu rücken. Ähnlich wie seine anderen in Dresden entstandenen Nachzeichnungen nach Antiken ist auch dieses Blatt bedeutsam im Hinblick auf die Entwicklung der „Aurora“ im Morgen-Gemälde, doch kann man das Blatt – wie bei Waetzoldt (Anm. 5) und Schümann (Anm. 6) – kaum zu den unmittelbaren Vorarbeiten zum „Kleinen Morgen“ zählen.

Peter Prange

1 Brief vom 26. Juni 1801 an Daniel, vgl. HS II, S. 74.
2 Wilhelm Gottlieb Becker: Augusteum ou description des monuments antiques qui se trouve a Dresden , Tome premier, Leipzig 1804, Taf. 59, und Taf. 86.
3 Becker 1804, S. 134 zu Taf. 28, vgl. Kordelia Knoll: Der Umgang mit den Antikenergänzungen in Dresden, in: Katalog der antiken Bildwerke I. Idealskulptur der römischen Kaiserzeit 1, Skulpturensammlung Staatliche Kunstsammlungen Dresden, hrsg. von Kordelia Knoll, Christiane Vorster, Moritz Woelk, München 2011, S. 82.
4 Waetzoldt 1951, S. 130.
5 Waetzoldt 1951, S. 130.
6 Schümann, in: Kat. Hamburg 1969, S. 285, Nr. 1 b.

Details zu diesem Werk

Schwarze und spurenweise weiße Kreide auf bräunlichem Papier 535mm x 278mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1938-72 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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