Philipp Otto Runge

Karodame - Karobube

Vier Blätter zeigen paarweise jeweils Bube und Dame der gleichen Farbe; dazu gehören auch die beiden Einzelblätter Inv. Nr. 1938-40 e, die heute nebeneinander montiert sind. Sie entstanden im Auftrag des Hamburger Kupferstechers Gustav Andreas Forsmann (1773-1830), der wohl seit 1809 eine Fabrik für Spielkarten besaß (Anm. 1). Er „hatte eine Reihe von Bildern dazu sehr sauber gravirt, und bat, da ihm der Herzbube nicht gefiel, unsern R., ihm einen bessern zu zeichnen. Dieser machte ihm einen sehr empfindsamen, den jener dann eben so ausführte. Späterhin kam F., der mehr Dauerhaftigkeit seines Fabricats wünschte, auf den Gedanken, Figuren in Holz, auf die damals noch neue Weise, welche eine unendliche Zahl von Abdrücken gestattet, schneiden zu lassen. R. zeichnete und colorierte eine ganze Reihe derselben; bald aber lieferte er die Zeichnungen zu noch unvollendeteren, in welchen die Schraffierung ausdrücklich für den Holzschnitt berechnet war. Sie sind eine Zeitlang in Hamburg in Gebrauch gewesen, und die Formen jetzt im Besitz des Hrn. G. Reimer in Berlin. Man findet auf den Blättern die herkömmlichen Namen, als bey den Königen auf Pique David, Treff Alexandre, Carreau Cezar, Coeur Charles, bey den Damen auf Pique Pallas, Treff Argine, Carreau Esther, Coeur Judith (auf den gewöhnlichen Karten fast immer Judic).“ (Anm. 2)
Die von Daniel erwähnte Zeichnung eines „empfindsamen“ Herzbuben muss als verschollen gelten (Anm. 3), und auch das dazugehörige Kartenspiel konnte bisher nicht identifiziert werden, doch bezieht sich darauf möglicherweise Runges Brief an seine Schwiegermutter, in dem er nach den Möglichkeiten eines Vertriebs in Dresden fragt (Anm. 4). Diese erste Beschäftigung mit Spielkarten griff Runge danach wieder auf, als er für Forsmann „eine ganze Reihe“ von Entwürfen zeichnete und kolorierte. Zu diesen zählen Inv. Nr. 1938-40 a-e, die Entwürfe zu acht Spielkarten mit paarweise angeordneten und gespiegelten Damen und Buben zeigen, sowie die Entwürfe zu den Königen „Caesar“ und „Karl“ (Inv. Nr. 1938-40 e). Die Entwürfe für Kreuz- und Piquekönig sind verschollen (Anm. 5), doch werden sie, da Herz- und Karokönig ikonographisch mit den Königen der zweiten Fassung übereinstimmen (Inv. Nr. 1925-157 und 1925-158), ebenfalls Alexander und David dargestellt haben. Sie verkörperten die vier Weltmonarchien mit David von Judäa, Alexander von Makedonien, Caesar aus Rom und Karl den Großen (Anm. 6). Den dargestellten Personen entsprechen ihre Attribute: König David trägt die Harfe, Alexander den Schild, Caesar ein Szepter und Karl der Große ein Schwert und den Reichsapfel. Bei den vier genannten Frauen wird hingegen nach Daniel auf die Zeit Karls VII. von Frankreich angespielt, „indem durch Pallas auf Johanna von Are oder die Jungfrau von Orleans, Argine (Anagramm von Regina) auf die königliche Ehegemahlin Maria von Anjou, Esther (auf anderen Blättern Rachel) auf Agnes Sorel, Judith auf Isabeau von Bayern gedeutet wurde.“ (Anm. 7) Sie tragen als Attribut alle eine Blume, doch ist deren Benennung nicht immer eindeutig: Während eine Tulpe die Pik-Dame und eine Nelke die Karo-Dame kennzeichnet, sind die Blumen von Argine – möglicherweise Goldlack – und Judith – eine Wucherblume? – nicht klar zu identifizieren (Anm. 8). Die von den Damen begleiteten Buben stellen „theils zwey Ritter Karl’s des Großen, als Pique den Ogiér (oder Hogier – Holger der Däne), Treff den Langelot (vom See), theils zwey Hauptleute Karl’s VII., nämlich Carreau den Hector (de Galard) und Coeur den Lahire (oder Etienne de Vignolles)“ dar (Anm. 9).
Runge hält sich bei seinen Entwürfen eng an das traditionelle französische Bild, wie es vor der Französischen Revolution üblich war (Anm. 10). Er beschränkte sich auf französische Farbzeichen und orientierte sich auch bei der Auswahl der dargestellten Personen an den „historischen Phantasietypen früher französischer Spielkarten.“ (Anm. 11) Es ist wahrscheinlich, dass Runge ein entsprechendes Kartenspiel vorgelegen hat, in dem die Haltungen und Attribute der dargestellten Personen ähnlich angegeben waren.
Laut Daniel waren die kolorierten Entwürfe bereits für die Umsetzung in den Holzschnitt vorgesehen, doch handelt es sich mit der ausführlichen Aquarellierung, die Licht und Schatten herausarbeitet, nicht im eigentlichen Sinne um Vorzeichnungen für Holzschnitte. Deshalb geht Traeger davon aus, dass das Kartenspiel im Holzschnitt nicht in der Form ausgeführt wurde (Anm. 12).

Peter Prange

1 Zu den biographischen Daten vgl. Hoffmann 1977, S. 16.
2 Vgl. HS I, S. 255.
3 Traeger 1975, S. 444, Nr. 445.
4 Brief vom 8. November 1808 an Bassenge, vgl. Philipp Otto Runge und die Seinen. Mit ungedruckten Briefen, hrsg. von Wilhelm Feldmann, Leipzig 1944, S. 86.
5 Traeger 1975, S. 447, Nr. 452-453.
6 HS I, S. 255.
7 HS I, S. 255-256.
8 Vgl. Hoffmann 1977, S. 13.
9 HS I, S. 256. Bei den Genannten handelt es sich um Etienne de Vignolles, genannt La Hire (um 1390-1443), um Hector de Galard de Brassac (um 1415-um 1475), zwei Gefolgsleute König Karls VII., sowie den dänischen Sagenheld aus der Zeit Karls des Großen, Holger der Däne, und um Lancelot vom See, dem letzten Ritter aus König Artus’s Tafelrunde.
10 Vgl. dazu Hoffmann 1977, S. 10-11.
11 Peter-Klaus Scuster, in: Runge 1977, S. 135, Nr. 82.
12 Traeger 1975, S. 445.

Details zu diesem Werk

Feder in Schwarz, Aquarell; fest montiert 85mm x 55mm (Bild) 88mm x 109mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1938-40b Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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