Giovanni Bilivert, zugeschrieben
Vision einer knienden Nonne
Die Zeichnung wurde als Arbeit Jacopo Tintorettos erworben und inventarisiert. Zu dieser Zuschreibung hat offensichtlich vor allem die für Tintoretto typische Verwendung relativ breiter, schwarzer Kreidestriche geführt. Doch dessen Zeichenstil ist insgesamt großzügiger und kraftvoller. Es verwundert daher nicht, dass Gustav Paulis Einschätzung 1927 von Detlef von Hadeln, dem damals besten Kenner des zeichnerischen Œuvres Tintorettos, abgelehnt wurde.(Anm.1) Die Zeichnung hat seitdem eine vielfältige Zuschreibungsdebatte hervorgerufen.
Ein anonymer Zeichnungsforscher schlug per Kartonnotiz Giacomo Cavedone (1577–1660) vor, von dem ähnlich weich gehaltene Kreidezeichnungen nachweisbar sind. Ohne nähere Begründung hat J. Q. Regteren-Altena per Kartonnotiz eine spanische Herkunft zur Diskussion gestellt. Wesentlich überzeugender erscheint eine Zuordnung zum Schaffen Giovanni Biliverts. Während Anna Maria Petrioli Tofani den Umkreis Biliverts mit Vorsicht in Erwägung zog(Anm.2), plädierte Roberto Contini mit Nachdruck für eine solche Zuordnung(Anm.3). Die Ähnlichkeit mit gesicherten Blättern ist derart groß, dass eine Eigenhändigkeit denkbar ist.(Anm.4)
Bei dem Bildmotiv handelt es sich wohl um die Vision einer Nonne, z. B. der Teresa von Ávila oder der Maria Magdalena dei Pazzi. Da jedoch nicht genau zu erkennen ist, ob die schwebende Figur das Christuskind oder einen Engel darstellt, ist eine genaue Bestimmung nicht möglich.
David Klemm
1 Brief vom 30. 5. 1927, Archiv des Kupferstichkabinetts.
2 Kartonnotiz.
3 Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 24. 3. 2008.
4 Vgl. z. B. „Judith mit dem Haupt des Holofernes“, Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 6173 F. Vgl. Omaggio a Leopoldo de’Medici. Disegni, bearb. v. Anna Forlani Tempesti, Anna Maria Petrioli Tofani, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi XXXXIV, Ausst.-Kat. Florenz, Gabinetto disegni e stampe degli Uffizi, Florenz 1976, S. 103, Nr. 92, mit Abb. 87.