Enea Talpino (Salmeggia)

Hl. Sebastian, 1602-1603

Das 1919 erworbene Blatt wurde von Gustav Pauli zunächst als Werk Sodomas eingeschätzt.(Anm. 1) Zweifel an dieser Zuschreibung äußerten Karl Theodor Parker (Anm. 2) und 1928 Odoardo Giglioli. Nachdem Popham 1930 noch einen anonymen florentinischen Meister vorgeschlagen hatte, gelang ihm 1935 die heute noch gültige und voll überzeugende Zuordnung zum Werk des vor allem im Gebiet um Bergamo tätigen Enea Salmeggia. Demnach handelt es sich um eine nahezu detailgenaue Vorzeichnung für die Figur des Hl. Sebastian auf dem Altarbild „Madonna mit den Hll. Rochus, Franz von Assisi und Sebastian“, das Salmeggia 1603 für die Kirche des Hl. Rochus in Calcio (zwischen Mailand und Brescia) gemalt hat.(Anm. 3) Diese Funktion wird durch die Andeutung einer Quadrierung bestätigt.
Mit diesem heute in der Brera bewahrten Gemälde lässt sich auch eine ausführliche Entwurfszeichnung für eine Sacra Conversazione in Bergamo in Zusammenhang bringen.(Anm. 4) Wenn auch die Komposition deutliche Unterschiede zum ausgeführten Gemälde zeigt, so weisen doch die Figuren des Hl. Sebastian – wie auch die des Hl. Rochus – stilistische und kompositonelle Übereinstimmungen auf.
Der an die Hochphase der italienischen Renaissance erinnernde Zeichenstil lässt sich mit Salmeggias längerem Romaufenthalt erklären, bei dem der Künstler vor allem von Raffael beeinflusst wurde. Möglicherweise hat Salmeggia sogar während dieser Studienzeit eine Kompositionsidee der Hochrenaissance aufgegriffen und dann später wiederverwendet.(Anm. 5) Popham bemerkte angesichts der Attributionsgeschichte des Blattes treffend: „The identification shows the extreme difficulty of placing and dating Italian drawings from the life.“(Anm. 6)

David Klemm

1 Ausstellung von Zeichnungen Alter Meister aus den Sammlungen der Kunsthalle zu Hamburg, Ausst.-Kat. Hamburg, Kunstverein, Hamburg 1920, S. 23, Nr. 145; die Zuschreibung an Sodoma wurde auch noch 1927 in der Prestel-Mappe beibehalten.
2 Vgl. den Hinweis bei Arthur Ewart Popham: Enea Talpino (Il Salmeggia), in: Old Master Drawings 9, 1935, S. 14.
3 Zu dem Bild vgl. Pinacoteca di Brera, Bd. 2: Scuole lombarda, ligure e piemontese 1535-1796, Mailand 1989, S. 109–110, mit Abb.
4 Bergamo, Accademia Carrara, Inv.-Nr. 187; vgl. Antichi Disegni e Stampe dell`Accademia Carrara di Bergamo, bearb. v. Carlo L. Ragghianti, Bergamo 1963, S. 7–8, Nr. 37, mit Taf. XXIX.
5 Arthur Ewart Popham: Enea Talpino (Il Salmeggia), in: Old Master Drawings 9, 1935, S. 14, S. 14.
6 Ebd. Neben Salmeggia haben auch andere italienische Künstler um 1600 – so z. B. die Carracci – auf die Meister der Hochrenaissance zurückgegriffen.

Details zu diesem Werk

Schwarze Kreide auf ehemals weißem Papier 278mm x 112mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1919-141 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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