Philipp Otto Runge

Sommertag

Runge schildert die ländliche Szene eines Sommertages, die von einer knorrigen Eiche links und einem schlanken, nahezu senkrecht empor wachsenden Baum rechts dominiert wird. Unter ihnen vollzieht sich vielfältiges ländliches Treiben, während über ihnen verschiedene Vögel lautlos ihre Bahnen am wolkenlosen Himmel ziehen. Der Wuchs der Eiche ist denjenigen auf Radierungen Carl Wilhelm Kolbes nicht unähnlich, mit dem Runge durch Perthes bekannt geworden war, der ihm Ende 1797 einige Radierungen Kolbes geschenkt hatte (Anm. 1). Bei aller auch in der Zweiteilung kompositorischen Ähnlichkeit und dem gemeinsamen Ziel, den typischen Wuchs der Bäume wiederzugeben, ist für Runges Scherenschnitt eine filigrane, nahezu „asiatisch“ anmutende Schwerelosigkeit feststellbar, die nicht ohne Tendenz zum Ornamentalen ist. Er unterscheidet sich nicht nur in seinem formalen Detailreichtum von anderen Scherenschnitten Runges sondern auch durch die die Art des feinen Schnitts und eine ausgesprochen anekdotische-erzählerische Auffassung, die sich so auf keinem anderen Scherenschnitt Runges findet. Ob diesen Unterschieden chronologische oder funktionelle Aspekte – etwa als vollgültiges Kunstwerk aus seiner Frühzeit – zugrunde liegen, muss an dieser Stelle offen bleiben, doch sollte die Frage, ob es sich wirklich um ein eigenhändiges Werk von Runge handelt, nicht ausgeschlossen werden.

Peter Prange

1 Brief vom 25. Dezember 1797 an Besser, vgl. HS II, S. 4. Vgl. dazu auch Bertsch 2010, S. 23-24.

Details zu diesem Werk

Weißer Scherenschnitt auf grauem Papier 100mm x 165mm (Bild) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1917-81 Sammlung: KK Scherenschnitte © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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