Heinrich Nüscheler, Zeichner

Potiphars Weib, 1609

Das Blatt scheint allseitig an der Darstellung beschnitten zu sein, wofür auch das angeschnittene Monogramm „HN“ ein Indiz ist. Der Vergleich mit anderen, für Nüscheler gesicherten Blättern im Landesmuseum in Zürich (Anm. 1) bestätigt die Eigenhändigkeit des Hamburger Blattes, das als Vorlage für eine Scheibe diente.
Allerdings stellt Nüschelers Blatt keinen originären Entwurf dar, denn die Szene war bereits im 16. Jahrhundert vor 1580 von einem unbekannten Berner Meister in ähnlicher Weise für einen Scheibenriss verwendet worden, der möglicherweise auf Virgil Solis’ Holzschnitt gleichen Themas in den 1562 erschienenen „Biblischen Figuren“ zurückgeht (Gn 39, 10–20).(Anm. 2) Nüschelers Version des Themas ist in Details verändert, doch erscheint sie nahezu identisch noch 1624 auf der Allianzscheibe Dürler-Oetenschwiler im Schweizerischen Landesmuseum (Anm. 3) und auf einer Toggenburger Scheibe.(Anm. 4) Sie belegt, wie lange solche Inventionen verwendet und herumgereicht wurden.
Die Beischrift oben auf dem Blatt geht auf Tobias Stimmers entsprechende Szene aus „Neue Künstlische Figuren Biblischer Historien […]“ aus dem Jahre 1576 zurück.(Anm. 5) Die ersten drei der fünf Zeilen bei Stimmer übernahm Nüscheler wörtlich, während er die letzte Zeile frei (?) gestaltete.

Peter Prange

1 Zürich, Schweizerisches Landesmuseum, Inv.-Nr. AG 11900, LM 24705 und LM 30433. Ich danke Christian Müller, Basel, für den Hinweis auf die Blätter in Zürich.
2 Vgl. Rolf Hasler: Die Scheibenriss-Sammlung Wyss. Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bernischen Historischen Museum, Bd. 1, Bern 1996, S. 232, Nr. 257, Abb. Ich danke Achim Riether, München, für den Hinweis auf Haslers Katalog.
3 Jenny Schneider: Glasgemälde. Katalog der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums Zürich, Bd. II, Zürich 1970, S. 294, Nr. 523, Abb.
4 Paul Boesch: Toggenburger Scheiben. 7. Nachtrag, in: Toggenburger Blätter für Heimatkunde 14, 1951, S. 6–8, Abb. 7.
5 The Illustrated Bartsch, Vol. 19 (Part 2) formerly Vol. 9 (Part 2), German Masters of the Sixteenth Century, Hans Rudolf Manuel (Deutsch) – Tobias Stimmer, ed. by Jane S. Peters (General Editor Walter S. Strauss), New York 1988, S. 137, Nr. 62.31.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, laviert 222mm x 150mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1915-449 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 15.-18. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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