Moritz von Schwind

Ein Liebespaar im Nachen, 1823

Die Zeichnung gehört zu den frühesten, datierten Werken des Künstlers. Gerade erst 19 Jahre alt, hatte Moritz von Schwind 1823 das Akademiestudium aufgegeben, um sich fortan autodidaktisch weiterzubilden. Im gleichen Jahr entbrannte seine Liebe zu Anna Prunner, die er mehrfach in Linz besuchte. In ihrer romantischen Verklärung könnte die idyllische Szene des „Liebespaar im Nachen“ daher auch biographische Züge tragen: Vor der Kulisse einer Hochgebirgskette, die zum Ufer in sanften Hügeln abfällt, gleitet der Fischerkahn mit dem jungen Paar dahin. Das Mädchen legt ihren Arm verschämt auf die Schulter des Jünglings, der sich ihr in inniger Zuneigung zuwendet. Schüchtern weicht sie seinem Blick aus und sieht versunken auf den See, dessen Wasser sich im Gegensatz zu der spiegelglatten Oberfläche im Hintergrund auf ihrer Seite des Bootes lebhaft kräuselt.

In der Lieblichkeit der Komposition mit den scharf geformten Konturen zeigt sich noch die Verbundenheit zu dem nazarenischen Freundekreis um die Brüder Olivier in Wine, von dessen Einfluss sich Moritz von Schwind in den folgenden Jahren löste. Hans Tietze, der die genaue Datierung des Blattes noch nicht kannte (in der Literatur übrigens meist fälschlich als „3ten April 1823“ angegeben), hat im Zusammenhang mit unserem Blatt auf die Ähnlichkeit zu der im Dezember desselben Jahres entstandenen Zeichnung „Der Jüngling im Kahn“ hingewiesen (Wien, Graphische Sammlung Albertina). Während Tietze als literarische Vorlage für beide Blätter Gedichte von Heinrich Heine nannte – so das 42. Gedicht aus dem Zyklus „Lyrisches Intermezzo“ für das „Liebespaar im Nachen“ – hat Georg Michael Hafner überzeugend auf Friedrich Schlegels 1820 von Franz Schubert vertontes Gedicht „Schiffer“ als Anregung für die Zeichnungen hingewiesen. Während die erste Strophe („Friedlich lieg´ ich hingegossen, (...), Atme kühl im Licht des Mondes“) die Darstellung des „Jüngling im Kahn“ wiedergibt, wird in der zweiten Strophe des Liedes die Erinnerung des Schiffers an sein Mädchen beschworen: „Säße doch das blonde Mägdlein/ Vor mir auf dem Bänckchen ruhend, Sänge schmachtend zarte Lieder!/ Himmlisch wär mir dann zu Mute; Ließ´ mich necken von dem Kinde, Wieder tändeln mit der Guten.“ Weniger als direkte Textvorlagen, aber vielleicht als Ausdruck der eigenen sehnsuchtsvollen Stimmung könnten die Verse Moritz von Schwind zu dieser Zeichnung angeregt haben.

Petra Roettig

Details zu diesem Werk

Bleistift, Pinsel in Graubraun; Einfassungslinie (Feder in Schwarz) 383mm x 477mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1914-225 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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