Anonym (16. Jahrhundert), Holzschneider
nach Ugo da Carpi, zugeschrieben, Holzschneider
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Erfinder

Lesende Sibylle, nach 1517

Es handelt sich um eine seitenverkehrte Kopie nach einem Holzschnitt, der traditionell Ugo da Carpi zugeschrieben wird. Dabei handelt es sich um den wohl frühesten Druck Ugos nach einem Entwurf Raffaels. Diese Zuordnung ist allerdings umstritten, da in jüngster Zeit etwa Antonio da Trento nach Parmigianino , oder Ugo nach Parmigianino genannt wurden. (Ausst.-Kat. LA S. 71). Tatsächlich ist die Linienführung (parallel) und die unregelmäßigen Kreuzschraffuren ungewöhnlich, auch (noch) keine Signatur (das könnte aber bei einem Erstling durchaus sein!).
Der originale Druck taucht früh auf (Slg. Von Ferdinand Columbus), bereits 1522 – das schliesst mit großer Wahrscheinlichkeit eine Beteiligung von Parmigianino aus, der erst später in Rom auftritt. Die Besonderheit wäre demnach der frühen Entwicklung Ugos zuzuordnen.

Keine Vorzeichnung von Raffael erhalten. Allgemeine Ähnlichkeit von Mutter, bzw. Frau und Kind. Die vermeintliche Ähnlichkeit zur Sappho auf dem Parnass-Wandbild ist nicht überzeugend (Trotter 1974, S. 68, auch in AK LA S. 71 erwähnt: Ganz andere, dort viel komplexere figur.
Es gibt allein drei verschiedene Kopien , zwei davon seitenverkehrt, wodurch dieser Holzschnitt zu dem beliebtesten Farbholzschnitt in Italien macht.
Bartsch nahm an, dass die hier ausgewählte Version das Original sei. Doch ist dies nicht der Fall. Die Linien sind zu schematisch.
Der Urheber der Kopie ist nicht bekannt. Wasserzeichen und Kettenlinien deuten auf Möglichkeit, dass der Druck in Frankreich entstand. Jug surmounted bei an Elaborate Crown watermark
Literatur: AK LA 2018, S. 69-72, Nr. 4-6, hier vor allem Nr. 6

Allgemein: Beispiel für das anhaltende Interesse an Raffaels Entwürfen.

Zwei Platten
Titel: Sibylle? Könnte auch häusliche Szene sein.
Raffael –Zeichnungen aus der Zeit von 1512/13 Lesende Muttergottes mit Kind in CHatsworth oder Maria, die das Christkind umarmt in Oxford (Knab, M, O Nr. 444-445).

Gnann argumentiert nachdrücklich Antonio da Trento und sieht wenig Übereinstimmung mit Ugos Stil. (S. 162)
Keiner schreibt über die Szene an sich, ihre Poesie.

Reizvolle Erfindung. Das naive Kind, die schauende , in sich gekehrte Frau, was das Seherische zeigen könnte. Die Nachtszene ist eine Herausforderung, sie erfordert für eine Wirksamkeit satten Druck. Das ist hier gut gelungen. Sehr guter Druck.

Insgesamt, wie bei vielen Holzschnitten, ist viel in Bewegung: die Zuschreibungen sind sehr schwierig!

Details zu diesem Werk

Farbholzschnitt (Chiaroscuroschnitt) von zwei Holzstöcken in Schwarz und Ocker) 270mm x 218mm (Bild) 283mm x 221mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 1229 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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